27.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die »Großen« bleiben zu groß

Leidenschaft und Elan: Fans feiern Deutschland trotz der Niederlage

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Nürnberg (WB). Diesen Bock kann sie nicht umstoßen. Noch sind die »Großen« zu groß, auch in Versuch 15 wollte es der deutschen Nationalmannschaft nicht gelingen, eine führende Ball-Nation aufs Kreuz zu legen. Vielleicht wäre es besser, zu sagen: Es war ihr nicht vergönnt. So bleibt nach dem 2:3 im Halbfinale gegen Brasilien eine letzte Amtshandlung beim Confederations Cup - die Bewerbung um Platz drei am Mittwoch (17.45 Uhr) gegen Mexiko.

Auch beim abschließenden Schaulaufen im Leipziger Zentralstadion will der Bundestrainer seine Vorgabe erfüllt sehen, die heißt: die DFB-Auswahl soll Fortschritte machen und die Leute erfreuen. Da dies derzeit die Bemessungsgrundlage liefert, gibt es schon vor dem fünften und finalen Auftritt bei der WM-Generalprobe nur ein Fazit - Auftrag erledigt.
In einem Jahr gehört jedoch die Ergebnisorientiertheit dazu, dann werden die Deutschen bei allem Bemühen um einen schneidigen Auftritt nicht umhin kommen, sich eine gewisse Ökonomie des Spiels anzueignen. Denn auch bei der Niederlage gegen den Weltmeister stand der Aufwand wieder nicht im passenden Verhältnis zum Ertrag. Viel geschuftet, nichts gewonnen? Ganz so ist es nun auch wieder nicht. Wie schon beim 2:2 gegen Argentiniern feierten die Fans die Mannschaft mit Sprechchören und Ovationen. Nur hatte das angesichts des Resultats natürlich auch etwas von: schade, Jungs, hat wieder nicht gereicht.
Das führt direkt zum Kern. »Es fehlt immer nur ein bisschen. Die Lücke wird auch immer kleiner. Aber vielleicht werden wir nie so gut wie Argentinien oder Brasilien«, sann Michael Ballack nach. »Wir können das nur als Mannschaft kompensieren und müssen da noch kompakter werden.« Der Kapitän hatte zuvor mit seinen Mitspielern alles getan, um in zwei Tagen nicht in Leipzig, sondern in Frankfurt zum Endspiel antreten zu dürfen. Sein Elfmeter (45.+3) und Lukas Podolskis Kopfball (22.) glichen die von Adriano (21.) und Ronaldinho (43./Foulelfmeter) erzielte brasilianische Doppelführung prompt wieder aus. Adrianos 2:3 (76.) blieb unbeantwortet. Es war im deutschen Plan auch nicht mehr vorgesehen. »Wir hatten zu diesem Zeitpunkt eher das Gefühl, dass wir das 3:2 machen«, blickte Klinsmann zurück, »dann stechen die zu, und der Frust darüber blieb in unseren Köpfen hängen.«
Zum dritten Mal ins Hintertreffen zu geraten, war einmal zuviel, nachdem die deutsche Mannschaft zuvor ihren Trainer noch vollständig davon überzeugt hatte, über das nötige Rüstzeug zum Aufholen von Rückständen zu verfügen: »Sie ist zweimal zurückgekommen. Sie hat sich überhaupt keinen Kopf gemacht. Sie weiß immer, was zu tun ist.« Die Krisenfestigkeit hat aber doch Grenzen. Vor allem die Anfälligkeit zu Gegentoren von der 75. Minute an fällt auf.
Brasilien, Argentinien, Australien, Russland - sie alle profitierten in den letzten Länderspielen davon, dass den immer so dynamisch beginnenden Deutschen am Ende der Elan abhanden kommt. Da mag der Trainer seine Klinsmänner für ihre »tolle Leidenschaft« rühmen, doch die müsste taktisch besser abgesichert werden.
»Schnelleres Umschalten nach Ballverlusten, Vorausahnen von Situationen«, forderte der Bundestrainer, der dieses Mal auch wieder erlebte, dass gegnerische Stürmer nicht immer ehrfurchtsvoll den Hut ziehen vor Robert Huth, sondern ihn grußlos stehen lassen. Sein Albtraum hieß Adriano.
Trotzdem bleibt das 2:3 eine Niederlage mit Schleifchen, weil eine deutsche Mannschaft erneut ein Länderspiel lohnenswert und lobenswert machte. »Wir haben auch in Leipzig einen Auftrag. Ich gehe davon aus, dass wir im Spiel um Platz drei noch einmal topmotiviert sind«, sagte Klinsmann. Wer ihm in die Augen schaute, spürte jedoch: Das richtige Spiel ist das nicht, da schimmerte mehr Enttäuschung durch als nur »ein kleines bisschen.« Auch der Bremer Fabian Ernst bekannte: »Es nagt an uns, dass wir solche Spiele nicht gewinnen können.«
Was 2005 noch nicht ist, kann 2006 trotzdem so werden. Es wird beim Confed-Cup nicht abgerechnet, sondern nur zwischenbilanziert. Und deswegen findet Jürgen Klinsmann: »Wenn man bedenkt, wo wir vor zehn Monaten standen und wo wir jetzt schon sind, darf man ein klein wenig stolz sein.«

Artikel vom 27.06.2005