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Leitartikel
Das neue Landeskabinett

Die Mischung stimmt in
Rüttgers' Club


Von Reinhard Brockmann
Wer war Bärbel Höhn, bevor sie Ministerin für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wurde?
Den NRW-Bürgern war sie vor zehn Jahren genauso unbekannt, wie es heute der neue CDU-Landwirtschaftsminister Eckhard Uhlenberg ist. Nur die Bauern wissen, der Westfale ist einer der ihren.
Ähnliches gilt für viele Mitglieder des neuen Kabinetts von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Soll die SPD doch frotzeln, es handele sich um ein Schattenkabinett der Unbekannten oder Ur-Altgedienten. Tatsächlich mussten Helmut Linssen und Christa Thoben viele, viele Jahre in der Opposition verbringen. Aber spricht das gegen ihre politische Erfahrung oder dagegen, dass Rüttgers früheren innerparteilichen Gegnern mehr als nur symbolisch die Hand reicht?
Das Kabinett Rüttgers repräsentiert einen klugen Mix aus alter Erfahrung und nachwachsender Dynamik sowie aus Insidern und Praktikern. Noch sind die Staatssekretäre nicht alle benannt bzw. die bereits bekannten Namen den Ministerien zugeordnet. Aber auch wer jetzt schon das gesamte Personaltableau einschließlich des künftigen Regierungssprechers Thomas Kemper nimmt, erkennt die Konturen einer schlagkräftigen Truppe.
Ob die neue NRW-Elf die hoch gesteckten Erwartungen und im Koalitionsvertrag glasklar definierten Ziele auch erfüllt, muss die Praxis zeigen. Beobachter jedenfalls trauen dem Rüttgers-Club das zu, weil die Mischung stimmt.
Übrigens fällt auf, dass einige außerhalb der Landespolitik persönlich mehr Geld, teilweise sogar bei weniger öffentlichem Druck verdienen könnten. Kein schlechtes Signal also gegen die allgemeine Politikverdrossenheit und vor allem angesichts kommender Sparanforderungen. In allen Leistungsbereichen will Rüttgers um zehn bis 20 Prozent kürzen. Mancher am Kabinettstisch hat gestern schon tiefere Schnitte ins eigene Portemonnaie akzeptiert.
So wie Rüttgers seine Koalitionsverhandlungen geführt hat, so trägt das Personaltableau seine Handschrift. Unter Helmut Kohl hat er jahreslang lernen können, wie Führung funktioniert. Der Hinweis, dass er möglichst lange auch Landesvorsitzender bleiben will, zeigt, wie stark er sich fühlen darf. Selbst das Revirement im FDP-Lager, Andreas Pinkwart vor Ingo Wolf, ist letztlich eine Reaktion auf die kluge und durchsetzungsstarke Regie des ehemaligen Bundesministers.
Ostwestfalen-Lippe wird allerdings nur noch mit einer Ministerin, statt früher drei, im Kabinett dabei sein. Schön, dass wenigstens die Tradition der Schulministerinnen aus OWL nach Gabi Behler und Ute Schäfer mit Barbara Sommer fortgeführt wird. Beide Vorgängerinnen zeichneten sich zusätzlich durch ein Mandat aus, Frau Sommer dagegen kennt die Praxis mehr als alle anderen.
Die OWL-Scharte könnten die Herren Rüttgers und Brok noch ein wenig auswetzen: Es muss ja nicht bei nur einem Staatssekretär aus der Region bleiben.

Artikel vom 24.06.2005