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Lebensgefahr
durch Bakterium

Uni-Forscher entschlüsseln Genom

Bielefeld (sas). Genetiker der Universität Bielefeld haben das Genom eines Bakteriums mit lebensgefährlichem Potenzial entschlüsselt. Lebensgefährlich, weil es Herzinnenhautentzündungen und Blutvergiftungen auslösen kann und kaum noch auf Antibiotika reagiert. Dank der Forschungen der Wissenschaftler um Prof. Dr. Alfred Pühler und Dr. Andreas Tauch könnte den Medizinern eine weitere Waffe gegen den pathogenen Keim in die Hand gegeben werden.

Für einen gesunden Menschen ist »Corynebaceterium jeikeium« ungefährlich. Und vermutlich besiedelt das Bakterium die Haut eines jeden. Dringt es allerdings in den Körper ein und lagert sich dort an, wo es nicht hingehört, kann es dramatisch werden: Dann kann der Keim schwere Infektionen und oft tödlich verlaufende Blutvergiftungen hervorrufen. Das Problem: Corynebacterium jeikeium ist multiresistent. Das macht gerade die Behandlung immungeschwächter Patienten auf Intensivstationen schwierig.
Am Institut für Genomforschung der Uni Bielefeld hat das Team um Tauch und Pühler nun die Erbinformation des Bakteriums komplett entschlüsselt. Die Biologen haben ein ringförmiges Chromosom mit knapp 2,5 Millionen Basenbausteinen gefunden und konnte durch computergestützte Analysen 2104 Gene vorhersagen. Ihre Erkenntnis: Corynebacterium jeikeium scheint von anderen Bakterien, die die Haut besiedeln, gelernt zu haben. Die Gene, die es vor Antibiotika schützen, waren den Forschern von anderen Bakterien bekannt.
»Diese Gene kodieren Proteine um. Die bauen dann Antibiotika ab, transportieren sie aus den Zellen heraus, verändern die Antibiotika chemisch so, dass sie unwirksam werden oder verhindern, dass die Antibiotika überhaupt in die Zellen kommen«, beschreibt Tauch die Mechanismen, mit denen sich das Bakterium schützt.
Verstanden haben die Wissenschaftler auch, warum der Keim menschliche Zellen zerstört. »Corynebacterium kann selbst keine Fettsubstanzen herstellen. Fette aber sind wichtig für die Hülle einer jeden Zelle, also auch für die des Bakteriums.« Lebt es auf der Haut, ernährt es sich von dem Fettfilm darauf. Gelangt es in die Blutbahn oder ins Herz, zerstört es dort menschliches Gewebe, um sich selbst zu ernähren: Es setzt Proteine frei, die die Zellen schädigen. »Damit werden aus der Zellmembran Fettsäuren freigesetzt, die das Bakterium zum Beispiel für die eigene Zellhülle benötigt.«
Die Idee der Wissenschaftler ist, nach Substanzen zu suchen, die die zerstörerischen Proteine hemmen oder ein neues Antibiotikum zu entwickeln. »Letzteres hätte den Vorteil eines breiteren Nutzens, weil es auch bei anderen Krankheitsbildern eingesetzt werden könnte«, meint Tauch.

Artikel vom 24.06.2005