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Viele Kranke wehren sich

1777 Patienten rufen Gutachter an: 20 Prozent Kunstfehler

Von Christian Althoff
Münster (WB). 1777 Patienten aus Westfalen-Lippe haben im vergangenen Jahr die kostenlose Möglichkeit genutzt, ihre Behandlung von der Gutachterkommission der Ärztekammer in Münster prüfen zu lassen - so viele wie nie zuvor. In jedem fünften Fall kamen die Experten zu dem Ergebnis, dass ein Kunstfehler vorgelegen hat.

»Patienten sind selbstbewusster geworden und nehmen nicht mehr alles hin«, sagte am Freitag Andreas Daniel, Sprecher der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Er verwies darauf, dass die Zahl der zur Überprüfung eingereichten Fälle im vergangenen Jahr um sieben Prozent gestiegen sei. 1018 Frauen und 759 Männer hatten sich an die Kommission gewandt.
Von den 1777 vorgelegten Krankenakten sind bisher 1210 abschließend überprüft worden, in 244 Fällen hatte nach Ansicht der Experten ein Kunstfehler vorgelegen. »Diese Zahl ist verschwindend gering, wenn man bedenkt, dass es jährlich in Westfalen-Lippe zwei Millionen Behandlungen im Krankenhaus gibt und 40 Millionen Besuche bei niedergelassenen Ärzten«, sagte Daniel.
Die meisten Patienten (363) hatten sich nach chirurgischen Eingriffen beschwert, in 89 Fällen (25 Prozent) hatte sich der Verdacht einer Fehlbehandlung bestätigt. 102 Frauen fühlten sich von ihrem Gynäkologen falsch behandelt, 23 Mal stimmte diese Annahme. 57 Mütter beschwerten sich nach Geburten, zehn Fälle wurden anerkannt. Die Zahlen der eingereichten Akten in den übrigen Fachrichtungen (in Klammern die bestätigten Kunstfehler): Orthopädie 151 (25), Innere Medizin 142 (21), Allgemeinmedizin 30 (8), Anästhesiologie 31 (3), Augenheilkunde 39 (3), HNO-Heilkunde 32 (3) und sonstige 263 (59).
Die Gutachterkommission besteht aus zwei Kapazitäten des jeweiligen Faches sowie einem pensionierten Richter. Die Mediziner überprüfen die Behandlung anhand der Krankenakte. Wenn sie zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangen, wird ein dritter Experte beauftragt. Das Ergebnis wird schließlich von dem Richter in einem Bescheid zusammengefasst, der dem betreffenden Arzt und seinem Patienten zugeht. Patienten entstehen keine Kosten. Die Aufwandsentschädigungen der Kommission (827 Mitglieder) werden aus einem Fonds bezahlt, der von Haftpflichtversicherungen getragen wird. Daniel: »Die Versicherungen sind zumeist an einer schnellen, außergerichtlichen Einigung interessiert und erkennen in den allermeisten Fällen die Bescheide unserer Gutachterkommission an.« Nahezu 50 Prozent der Fälle hatte die Kommission im vergangenen Jahr innerhalb von neun Monaten klären können, weitere 30 Prozent wurden nach zehn bis zwölf Monaten abgeschlossen. Nur sechs Prozent der Verfahren dauern länger als 18 Monate.
Andreas Daniel sagte, dass in zahlreichen Fällen eine mangelnde Kommunikation zwischen Arzt und Patient zur Eingabe bei der Gutachterkommission geführt habe. Vor allem in Krankenhäusern fühlten sich Patienten oftmals mangelhaft informiert.
Patienten können sich an folgende Adresse wenden: Gutachterkommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Gartenstraße 210, 48147 Münster.

Artikel vom 25.06.2005