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Eltern fürchten weiter um Kind

Busfahrer kommt nach Missbrauch einer Behinderten auf Bewährung frei

Von Christian Althoff
Paderborn (WB). Die Mutter des Opfers schüttelte ungläubig den Kopf, als sie das Urteil hörte. Zu zwei Jahren Haft auf Bewährung hat das Landgericht Paderborn gestern einen Busfahrer verurteilt. Er hatte sich mehrfach an einer geistig behinderten Frau (20) vergangen, die ihm anvertraut worden war.
Maria B., Mutter des Opfers: »Ich bin entsetzt!«
Um den Fotoreportern zu entgehen, hatte sich Eugen B. (50) eine Plastiktüte vors Gesicht gehalten, als er aus der U-Haft in den Gerichtssaal geführt wurde. Zehn Jahre hatte der siebenfache Familienvater als Busfahrer in Paderborn gearbeitet, bis er im März festgenommen worden war. Ein Jogger hatte ihn überrascht, als er seinen Bus auf einem entlegenen Feldweg abgestellt und sich über die hilflose, geistig behinderte Frau gebeugt hatte. Befragungen des Opfers ergaben, dass Eugen B. die Frau, die er täglich zu einer Behindertenwerkstatt und zurück gefahren hatte, an mindestens zwei Tagen im Intimbereich und an der Brust berührt und sich befriedigt hatte.
Hatte Eugen B. die Taten bisher geleugnet, so legte er gestern über seinen Strafverteidiger ein Geständnis ab und entging so einer längeren Haftstrafe. »Die in der Anklage genannten Vorwürfe stimmen. Es hat zwei Übergriffe gegeben«, lautete die knappe Erklärung, die Anwalt Dr. Detlev Binder verlas.
Staatsanwalt Karl Oppenkamp forderte in seinem Plädoyer drei Jahre und drei Monate Gefängnis »für dieses üble Verbrechen.« Behinderte würden in Deutschland außerordentlich gut beschützt, sagte Oppenkamp und verwies darauf, dass ihm in den vergangenen fünf Jahren nur drei Missbrauchsfälle bekanntgeworden seien. »Umso verwerflicher ist es, dass dieser Busfahrer, der ja eigentlich seine hilflosen Fahrgäste schützen sollte, die Situation ausgenutzt hat.«
Rechtsanwältin Birgit Hanke forderte im Namen der Eltern ebenfalls drei Jahre und drei Monate Haft. Strafverteidiger Dr. Binder hielt dagegen, man müsse »Maß halten« und die Verfehlungen seines Mandanten im Vergleich zu anderen Sexualstraftaten sehen, »die deutlich schlimmer sind«.
Der Vorsitzende Richter Stefan Schäfer sagte in der Urteilsbegründung, die Aussetzung der Strafe zur Bewährung sei zu rechtfertigen, da von dem Angeklagten keine weiteren Taten zu befürchten seien.
Die Mutter des Opfers erklärte, sie sei über die Bewährungsstrafe entsetzt: »Unsere Tochter joggt für ihr Leben gern und hat bei den Special Olympics in Dublin für Deutschland die Silbermedaille im 400- Meter-Lauf geholt. Als Folge dieses Urteils werden wir sie jetzt nicht mehr trainieren lassen können, denn der Täter wohnt nicht weit von uns entfernt«, sagte Maria B. verbittert. Die Freilassung des Mannes bedeute »Gefängnis für unser Kind«, erklärte die Mutter. Das Gericht habe die Folgen für das Opfer nicht ausreichend berücksichtigt. »Für uns Eltern ist das Urteil ein Skandal.«

Artikel vom 23.06.2005