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Visa-Missbrauch: Früh gewarnt

Untersuchungsausschuss setzt Arbeit fort - BKA-Vizepräsident sagt aus

Berlin (Reuters). Das Bundeskriminalamt (BKA) hat das Bundesinnenministerium frühzeitig auf Gefahren des Visa-Missbrauchs für die innere Sicherheit Deutschlands hingewiesen. Das erklärte der Vizepräsident des Bundeskriminalamtes, Bernhard Falk, vor dem Visa-Untersuchungsausschuss.

Nach dreiwöchiger Unterbrechung hat der Untersuchungsausschuss des Bundestages gestern die Beweisaufnahme auf Anordnung des Bundesverfassungsgerichts fortgesetzt.
Die Opposition sah sich durch die Aussage des BKA-Vize in ihren Vorwürfen gegen die rot-grüne Bundesregierung bestätigt. »Er hat deutlich gemacht, dass es durch die erleichterte Visa-Praxis erhebliche Schäden gegeben hat«, sagte der Obmann der Union im Ausschuss, Eckart von Klaeden (CDU). Das BKA habe frühzeitig vor Missständen gewarnt.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) werde dazu in seiner Vernehmung am 8. Juli Stellung nehmen müssen. Nach Darstellung von SPD und Grünen erbrachte Falks Aussage keine neuen Einsichten. »Die heutige Vernehmung hat für die Arbeit des Untersuchungsausschusses nichts Neues gebracht«, sagte Grünen-Obmann Jerzy Montag.
Klaeden erklärte: »Wir wissen, dass die Bundesregierung frühzeitig über den massenhaften Visa-Missbrauch informiert worden ist.« Der Bundesregierung warf er vor, trotz der Warnungen untätig geblieben zu sein. Der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann wies dies zurück. »Es wurde sehr schnell dann auch reagiert«, sagte Hartmann. Grünen-Obmann Montag betonte, Falks Aussage habe ergeben, dass sich aus der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht ablesen lasse, ob die drastisch erhöhte Zahl erteilter Visa an der Botschaft in der Ukraine von 1999 bis 2001 zu mehr Delikten etwa im Bereich Menschenhandel geführt habe.
Bereits im Februar hatte der Ausschuss zwei BKA-Beamte als Zeugen gehört, die im so genannten Wostok-Bericht Erkenntnisse zur Erschleichung deutscher Einreise-Visa gebündelt hatten. Demnach lagen dem BKA seit 2001 Informationen vor, dass Gruppen der Organisierten Kriminalität ein Netzwerk zur Visa-Erschleichung und Schleusung aufgebaut hatten.
Das Bundesverfassungsgericht hatte vorige Woche einem Eilantrag von Union und FDP stattgegeben und den Ausschuss angewiesen, seine Beweisaufnahme fortzusetzen. Am 2. Juni hatte der Ausschuss mit der Mehrheit von SPD und Grünen beschlossen, die Zeugenvernehmung wegen der erwarteten Neuwahl auszusetzen.
In der Visa-Affäre werfen Union und FDP der rot-grünen Bundesregierung vor, die Visa-Politik nach dem Regierungswechsel 1998 gelockert und damit einen massenhaften Missbrauch deutscher Visa vor allem an der Botschaft in der Ukraine erleichtert zu haben.
Außenminister Joschka Fischer (Grüne), dessen Popularitätswerte im Zuge der Affäre eingebrochen sind, hatte bei seiner Vernehmung Versäumnisse eingeräumt. Mit Spannung erwartet wird die Zeugenaussage von Innenminister Schily. Er hatte die Visa-Praxis des Auswärtigen Amtes 2001 in Protestbriefen an Fischer als rechtswidrig kritisiert. Im Februar allerdings hatte Schily gesagt, die Visa-Regelungen seien nicht zu beanstanden gewesen. Für Missstände machte er Fehler an der Botschaft in Kiew verantwortlich.
Heute will der Ausschuss seine Beweisaufnahme mit Zeugen zur Visa-Vergabe an den Auslandsvertretungen in Tirana und Pristina fortsetzen. An der Botschaft in Tirana waren im Juli 2004 Unregelmäßigkeiten bei der Visa-Vergabe bekannt geworden, denen das Auswärtige Amt mit einer Sonderinspektion nachging. Ein Großteil der angestellten einheimischen Mitarbeiter wurde wegen Korruptionsverdachts entlassen.

Artikel vom 23.06.2005