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Persönlichkeitsrechte verletzt

Bundesgerichtshof bestätigt Verbot des Biller-Romans »Esra«

Karlsruhe (dpa). Der stark autobiografisch gefärbte Roman »Esra« des Schriftstellers Maxim Biller bleibt verboten.

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe verwarf gestern die Revision von Billers Verlag Kiepenheuer & Witsch und bestätigte ein Urteil des Oberlandgerichts (OLG) München. Laut BGH greift der - seit der ersten Fassung bereits entschärfte - Roman in schwerwiegender Weise in das Persönlichkeitsrecht von Billers Ex-Freundin und deren Mutter ein. Die beiden Frauen seien in den Romanfiguren Esra und Lale zumindest für ihren Bekanntenkreis erkennbar.
Nach Auffassung des Karlsruher Gerichts hat Biller die Figuren, die in zahlreichen Details den beiden Klägerinnen nachempfunden sind, nur unzureichend verfremdet. »Es werden keine Typen dargestellt, sondern Porträts«, heißt es in der kurzen Begründung des VI. Zivilsenats. Deshalb setze der Leser auch jenen Teil der Darstellung mit dem realen Leben der beiden Klägerinnen gleich, der vom Autor frei erfunden sei und die Frauen entweder überwiegend negativ zeichne oder sie - unter Verletzung ihrer Privatsphäre - bloßstelle. »Dies ist von der Kunstfreiheit nicht gedeckt.« Das OLG hatte das Verbot mit »markanten Übereinstimmungen« zwischen den türkischen Klägerinnen und den Romanfiguren begründet.
Das Buch schildert die Liebe zwischen Esra und dem Ich-Erzähler, dem Schriftsteller Adam. Biller hatte mit der Klägerin, die für Esra als Vorbild diente, eine anderthalb Jahre währende Beziehung. Der Anwalt des Verlags, Achim Krämer, berief sich in der Verhandlung auf den Schutz der Kunstfreiheit. Literatur knüpfe immer an die Realität an, die im Roman verfremdet und verdichtet werde. »Dieser Roman enthält an keiner Stelle Schilderungen irgendwelcher Abartigkeiten.« Es handele sich um die Verarbeitung einer Liebesgeschichte, wozu auch das Sexualleben gehöre.
Die BGH-Senatsvorsitzende Gerda Müller sprach von einer »schwierigen Gratwanderung«. Die Frage nach der Fiktionalität führe die Juristen an die Grenze ihres Fachs.

Artikel vom 22.06.2005