25.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Blasse Belege kosten Firmen Geld

Thermopapier: Unleserliche Rechnungen erkennt das Finanzamt nicht an

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Was ein Finanzbeamter nicht lesen kann, erkennt er nicht an. Weil Belege über Betriebsausgaben aber vergilben, sollten Unternehmen regelmäßig Kopien machen und sich Rechnungen von Lieferanten noch einmal schicken lassen. Dazu rät der Deutsche Steuerberaterverband in Berlin.
Unlesbar: Belege können schnell verblassen.
Hintergrund: Belege müssen zehn Jahre lang aufbewahrt werden und »vollständig lesbar« sein. Ist nicht alles zu entziffern, können Betriebsprüfer etwa die Vorsteuer zurückfordern. Viele Belege bestehen aus dünnem Thermopapier, das schnell bleich wird. Verbraucher bekommen dieses Papier in die Hand, wenn sie an der Kasse bezahlen oder einen Parkschein am Automaten ziehen. Nach drei, vier Jahren sind die Buchstaben und Zahlen auf den Belegen kaum noch zu lesen.
»Betriebsprüfer haben ein neues Betätigungsfeld entdeckt, an anderer Leute Geld zu kommen«, sagte ein Steuerberater dieser Zeitung, der nicht namentlich genannt werden will. Um dem Fiskus Mehreinnahmen zu verschaffen, werde die Lesbarkeit besonders penibel überprüft. »Wir verlangen die vollständige Ausfertigung einer Rechnung«, betonte Erhard Keller, Leiter des Bielefelder Finanzamtes. Wenn die Identifikationsnummer, Artikel- und Preisbezeichnung oder die Adresse fehle oder unleserlich sei, werde »die Vorsteuer wieder aberkannt«. Die Finanzbeamten in NRW seien angewiesen worden, verstärkt zu prüfen, weil der Umsatzsteuerbetrug in Deutschland inzwischen auf 15 bis 20 Milliarden Euro im Jahr gestiegen sei.
Keller: »Die Finanzverwaltungen sind europaweit pingelig geworden. In England gibt es fünf mal mehr Umsatzsteuersonderprüfer als bei uns, aber Deutschland rüstet jetzt auf.« Die Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten von zehn Jahren gelten für Privatpersonen nicht. Aber auch die können zum Opfer nachlassender Lesbarkeit werden. Gewährt das Finanzamt Werbungskosten nur unter Vorbehalt, müssen die Belege aufbewahrt werden. Sind Angaben bei neuerlicher Prüfung unleserlich, bleibt der Bürger auf den Werbungskosten sitzen.
Der Sprecher des Deutschen Steuerberaterverbandes, Norman Peters: »Es ist dann so, als ob Sie eine Rechnung gar nicht mehr hätten.« So rigide gehe das Finanzamt nun doch nicht vor, hält Erhard Keller dagegen: »Der Beleg existiert ja, und wir versuchen dann, den Inhalt zu rekonstruieren.« Der Papierverbrauch in Deutschland hat sich seit 1950 versiebenfacht. 230 Kilogramm häuft jeder Bundesbürger im Jahr an. Der Papierberg wird wegen der Finanzverwaltung wohl wachsen. Um sich abzusichern, sollte jeder Thermobeleg kopiert werden. Steuerberater empfehlen, mit dem Jahr 2000 zu beginnen.

Artikel vom 25.06.2005