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Dorothea Schenk lieferte einmal mehr den Beweis, welch hervorragende Kantorin, Musikerin und Regisseurin sie ist.

»Jahreszeiten«
ein glanzvoller
Festabschluss

Gefeierte Aufführung in der Kirche

Von Jutta Albers
(Text und Foto)
Sennestadt (WB). Einer der Höhepunkte und eindrucksvoller Abschluss der Jubiläumswoche »50 Jahre Sennestadt« war am Sonntag die Aufführung von Joseph HaydnĂ•s Oratorium »Die Jahreszeiten« in der Jesus- Christus- Kirche.

Selten erlebt man eine so dichte, spannungsvolle und lebendige Interpretation wie sie Dorothea Schenk zusammen mit der bestens vorbereiteten und gut disponierten Evangelischen Kantorei, hochmotivierten Mitgliedern der Bielefelder Philharmoniker und einem excellenten Solistenterzett gelang.
Das Spätwerk entstand unmittelbar nach der »Schöpfung«, wiederum nach einem Text des Barons van Swieten, der als Vorlage James Thompsons Lehrgedicht »The Seasons« benutzte. Haydn soll seine Probleme gehabt haben mit der musikalischen Umsetzung des Textes (zu dem Goethe sarkastisch bemerkte »wenn er doch nicht so unendlich absurd wäre«).Er habe sich später geärgert, wenn man die beiden Oratorien miteinander verglich und konterte, dass eben »in einem die Engel singen, im anderen die Bauern«.
Umso bemerkenswerter, dass dem Komponisten mit den vier Kantaten des weltlichen Oratoriums, in dem nicht die Schöpfung, sondern die irdischen Jahreszeiten,der Kreislauf der Natur und pralles Landleben geschildert werden, ein großer Wurf gelang. Bei der bezwingend lebendigen Umsetzung konnte man getrost den verstaubten Text vergessen. Wo »froh der Ackersmann zur Arbeit auf das Feld eilt« (und dazu ein Thema aus der Sinfonie mit dem Paukenschlag pfeift), keusch und züchtig sein zu den hohen Tugenden zählt, wo die Natur den Fleiß lohnt und man arbeitsam im häuslichen Umfeld sein Glück findet - eine Galerie idyllischer Genrebilder.
Die Hommage an das nostalgische Landleben wurde von Dorothea Schenk mit einer Kombination von Perfektheit und Natürlichkeit übermittelt, die breite Ausdrucksskala und Plastizität der Stimmungsbilder nuanciert ausgeschöpft. Dabei konnte sie sich auf eine hochmotivierte Schar von Mitwirkenden verlassen.
Eine überzeugende Leistung bot die Evangelische Kantorei, die als Landleute und Jäger die Ereignisse der wechselnden Jahreszeiten kommentierten. Der Frühling, in ein weiches Klangbild gebettet, wurde mit dem volksliedhaften »Komm, holder Lenz« begrüßt, dramatische Durchschlagskraft hatte das Sommergewitter, während in praller Lebensfreude Erntefest und Weinlese einschließlich Umtrunks gefeiert wurden.
Bemerkenswerte Dynamik und Plastizität wurde für die Jagdszenen eingebracht, strahlenden Glanz hatte die Schlussfuge. Auch die Mitglieder der Bielefelder Philharmoniker, die erfreulich inspiriert und durchhörbar musizierten in ausgewogener Balance mit dem Chor und Solisten, vermittelten Naturalismus pur in dem Kaleidoskop von Bildern ländlichen Lebens. Ein Sonderlob den hervorragenden Bläsern!
Mit der Auswahl der Solisten hatte Dorothea Schenk eine denkbar glückliche Wahl getroffen. Cornelia Samuelis war mit ihrem schlanken, biegsamen, höhensicheren glockenreinen Sopran die Idealbesetzung der Hanne, mit Friedrich von Mansberg als Lukas vereinte sie sich im liebenswerten Herbstduett.
Dieser junge Sänger, ebenfalls erstmals in Sennestadt zu hören, setzte seinen lyrischen Tenor bei klarer Tongebung facettenreich und gestaltungsintensiv ein. Yorck Felix Speer (noch in bester Erinnerung als Baritonsolist in Brahms »Requiem« im November) mit einem prächtigen Bass-Bariton ausgestattet, wandelte sich vom unbeschwerten Landmann zum Verkünder ernster Zeiten. Beeindruckend waren seine Deklamationskraft und die Anschaulichkeit, mit der er die Texte vermittelte.
Die Zuhörer in der fast vollbesetzten Jesus-Christus-Kirche sparten nicht mit begeisterten Beifall, für den sich Dorothea Schenk bewusst nicht mit dem Schlusschor als Zugabe bedankte, sondern - als Geburtstagsgeschenk an Sennestadt - mit der fröhlichen Herbst-Feier.

Artikel vom 21.06.2005