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Tolle Bühnendekoration: Im »BMW-Cabriolet« beraten Mehmet, Cem und Amina (von rechts: Süleyman Sönmez, Eren Ölmez und Linda Wand) wie es im Streit zwischen Türken und Deutschen weiter geht. Verdeckt ist Yasmin (Huriye Demirdas).

Hülyas Liebe zu
Robert endet
mit ihrem Tod

Theaterstück über brisantes Thema

Von Markus Poch
(Text und Fotos)
Quelle (WB). Das war nicht der Stoff, aus dem die Träume sind. Es war der Stoff, aus dem der Alltag ist, Alltag in Deutschland: Das schwierige Mit- und Gegeneinander von Deutschen und Türken.

Dieses sensible Thema hatte die zwölfte Jahrgangsstufe der Gesamtschule Brackwede für ihr Kulturprojekt 2005 aufgegriffen. Als jetzt das Theaterstück »Robert und Hülya« nach einjähriger Vorbereitungsphase auf der großen Bühne der Schule Premiere feierte, gab es tosenden Beifall und gleichzeitig sehr nachdenkliche Gesichter. Denn die lebensnahe Inszenierung musste ohne »Happy-End« auskommen.
Die berühmte Liebesgeschichte um Romeo und Julia transferiert nach Bielefeld im Jahre 2005: Der junge Deutsche Robert (Denis Kipker, 18) verliebt sich in Hülya (Deniz Pamuk, 18), ein türkisches Mädchen. Noch bevor die beiden zusammenkommen, stellen sie schmerzlich fest, dass kulturelle und soziale Konflikte ihr Miteinander unmöglich machen.
Der Erzähler (Julian Braun) erläutert den Hintergrund: Ein tief verwurzelter Hass zwischen Türken und Deutschen sei das zentrale Problem. Ein latenter Hass, von dem niemand eigentlich weiß, woher er kommt. Keiner will ihn, aber er sei da und mische die Menschen auf.
Die Inszenierung der Gesamtschule projiziert dieses Problem auf verschiedene Alltagssituationen. Gesprächsszenen auf dem Kirmesplatz, in den Elternhäusern, auf dem klassischen Balkon oder ganz modern in einem BMW-Cabriolet zeigen aus Sicht der Gesamtschüler deutlich auf, dass Deutschland noch lange keine funktionierende multikulturelle Gesellschaft ist.
Unter einem »multikulturellen Deckmantel« gärt es demnach kräftig und, zumindest auf der Bühne bei »Robert und Hülya«, eskaliert die Situation: Es kommt zum finalen Bandenstreit, in dessen Verlauf die immer um Schlichtung bemühte Hülya ihr Leben lässt. Es ist ausgerechnet ihr eigener Bruder Mehmet, der im Eifer des Gefechts nicht den verhassten Deutschen, sondern seine geliebte Schwester ersticht.
Mit dieser dramatischen Szene und ohne einen Lösungsvorschlag endet die bemerkenswerte Vorstellung der Brackweder Gesamtschüler. »Man hätte auch über die Entstehung dieses Stückes ein eigenes Stück schreiben können. Es gab sehr viele kontroverse Diskussionen«, berichtet Lehrerin Dagmar Duncker. Zusammen mit ihren Kollegen Jens Hullermann und Katharina Tweeboom leitete sie den Literaturkurs, der das Projekt inhaltlich auf die Beine stellte.
Großartige Arbeit leisteten aber auch die Schüler des Musikkurses unter Angela Eckel. Sie unterlegten Szenen und Überleitungen mit selbst komponierter und vorgetragener Live-Musik vom Feinsten, zeigten außerdem einen Stomp-Tanz. Markus Frickes Kunstkurs hatte die sehr schöne, aufwändige und häufig wechselnde Bühnendekoration geschaffen, zum Beispiel das »Herzblatt«-TV-Studio, die Kirmesbuden, das deutsche und das türkische Wohnzimmer, den Balkon und das Cabriolet. Der Technikkurs unter Peter Rausch sorgte dafür, dass Beleuchtung, Beschallung etc. den mit 300 Besuchern voll besetzten Saal tatsächlich erreichten.
Im Publikum saß auch ein bewegter Wolfgang Jasper aus der Schulleitung: »Erstaunlich, wie manch ein stiller, im Unterricht unauffälliger Schüler hier auf der Bühne groß rauskommt«, sagte er anerkennend. Allen Beteiligten und Zuschauern bleibt die Erkenntnis, ein wichtiges Thema engagiert behandelt zu haben. Auf der Bühne endete es im Debakel. Im wirklichen Leben lässt es sich jeden Tag aufs Neue positiv bearbeiten. Wie sagte doch Robert treffend: »Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und gemerkt, dass der Hass mir nichts bringt...«

Artikel vom 21.06.2005