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Des Grüblers Comeback

Charles Friedek überzeugt in Florenz mit 17,20 m

Florenz (dpa). Als Mannschaftskapitän Ralf Bartels den Schampus aus dem silbernen Siegerpokal in die Plastikbecher perlen ließ, war Charles Friedek noch nicht in Sektlaune.

Groß feiern wollte er seinen ersten Sieg beim Europapokal der Leichtathleten sowieso nicht, der Dreispringer aus Leverkusen ist eher ein Grübler. Auch an dem Wettkampf im Florentiner Luigi-Ridolfi-Stadion wird der Mann noch eine Weile knabbern - obwohl er ja alle geschlagen, optimale acht Punkte abgeliefert und damit zur überzeugenden Titelverteidigung der deutschen Leichtathletik-Männer beigetragen hat.
»Nach den zwei ungültigen Versuchen dachte ich schon, oje, lass das Ding jetzt bloß nicht entgleisen. Dann heißt es wieder: Die deutsche Mannschaft verliert wegen dir - oder gewinnt nicht wegen dir«, meinte Friedek. Man spürte die Verbitterung bei dem Leichtathleten mit der großen Leidensfähigkeit.
Zu viel hat der 33-Jährige schon durchgemacht. Dreisprung ist eine Risiko-Disziplin, erklärte sein Trainer Bernd Knut. Friedek spürt das seit Jahren an den eigenen Knochen, der Weltmeister von 1999 ist extrem verletzungsanfällig: »Zum Schluss hatte ich mehrere Baustellen am Körper.«
Zum Schluss? »Ans Ende der Karriere denkt man immer nur ganz kurz«, versicherte er. »Zum Beispiel in Athen, noch im Olympiastadion.« Da war er ohne gültigen Versuch in der Qualifikation verletzt ausgeschieden. Inzwischen ist Friedek wieder auf dem Sprung, er macht weiter, er will im Sommer zur WM nach Helsinki. Die Norm des DLV (17,10 Meter) hat der gebürtige Gießener mit seinem 17,20-Meter-Siegsprung von Florenz zum zweiten Mal erfüllt. »Mit mir ist immer zu rechnen«, meinte der sechsfache deutsche Freiluft-Meister. Es klang wie eine Kampfansage.
Statt nach Athen aufzugeben, raffte sich Friedek noch einmal auf. Für seinen schwierigen Musterschüler kam Knut sogar aus der »Trainer-Rente« zurück. »Wir haben uns über die Leistungen in Athen geärgert und gesagt: So kann man einfach nicht aufhören«, gestand der Coach. Am 22. August wird Bernd Knut 65 Jahre alt, vielleicht gibt's ja dann, eine Woche nach der WM, noch etwas nachzufeiern, denn »Charles kann viel weiter springen«.

Artikel vom 21.06.2005