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Der Ruf nach Ronaldo

Brasilien mit »neuer« Elf - Mexikos tolle Sieg-Serie

Hannover (dpa). Um ein Debakel des Weltmeisters wie beim Confederations Cup 2003 zu verhindern, hat Carlos Alberto Parreira Konsequenzen für die müden brasilianischen Ballkünstler angekündigt.

»Es kann sein, dass wir die Hälfte des Teams austauschen«, sagte der Nationaltrainer einen Tag nach der überraschenden 0:1-Niederlage der »Selecao« gegen Mexiko in Hannover. Zudem soll zum nächsten WM-Qualifikationsspiel am 3. September gegen Chile wieder der zuletzt nicht berücksichtigte Stürmerstar Ronaldo von Real Madrid der »Selcao« helfen. »Er ist ein Schlüsselspieler, der Begegnungen ganz allein entscheiden kann«, sagte Parreira.
Ronaldo war in den letzten beiden Ausscheidungsspielen für 2006 nicht berücksichtigt worden, nachdem er lieber in den Urlaub als zum Confed-Cup reisen wollte. Die Sofortmaßnahmen Parreiras könnten sogar »Weltfußballer« Ronaldinho treffen: Der Spielmacher vom FC Barcelona ging in der zweiten Halbzeit unter und räumte später ein: »Die ganze Mannschaft hat die Müdigkeit gespürt.«
Während die Mexikaner in der Kabine den Einzug ins Halbfinale feierten, wo sie auf Deutschland oder Argentinien treffen werden, muss Brasilien morgen (20.45 Uhr) in Köln gegen die Japaner mindestens ein Unentschieden erreichen. »Noch ist nichts verloren«, sagte Bayern-Profi Zé Roberto, der ebenso wie sein Nebenmann Emerson einer der Streichkandidaten ist, und bat um Verständnis: »Wir haben eine lange Saison in Europa hinter uns.«
Ronaldinho kraftlos, der neue »Wunderstürmer« Robinho völlig blass und ausgewechselt, Kaká nur bemüht und Adriano glücklos: Die Offensivabteilung des Favoriten resignierte irgendwann. »Die hatten neun, zehn Leute in der Abwehr«, jammerte Adriano.
Nach seinem 100. Spiel als Chefcoach hatte Parreira nichts zu feiern, dafür kam sein Kollege Ricardo La Volpe mit zerzausten Haaren und glänzenden Augen zur Pressekonferenz. »Ich bin jetzt drei Jahre Trainer dieser Mannschaft, und sie hat große Fortschritte gemacht«, sagte er zu der stolzen Serie von 19 Spielen ohne Niederlage und dem Coup gegen den fünfmaligen Weltmeister.
Für die WM 2006 können sich die Gegner Mexikos auf etwas gefasst machen: Kettenraucher La Volpe wird seine Mannschaft bereits im April zusammenziehen, um ihr einzuheizen.
Die Partie hatte nicht nur Latino-Stimmung unter den 43 677 Zuschauern verbreitet, sondern auch viel Nerven gekostet. Allen voran: Jared Borgetti.
Der überragende Spieler von Atletico Pachuca war mit seinem Kopfballtor (59.) der Mann des Tages, nachdem er in der ersten Halbzeit noch unglücklicher Hauptdarsteller einer Posse war: Der italienische Schiedsrichter Roberto Rosetti ließ ihn einen Elfmeter zwei Mal wiederholen. Erster Schuss drin, zweiter an die Latte, dritter von Torwart Dida gehalten - Borgetti konnte es einfach nicht fassen. Er stellte später fest: »Wenn Gott mir gesagt hätte, dass er in der zweiten Halbzeit noch ein Tor für mich vorbereitet hat, hätte ich es ohne Murren akzeptiert.«

Artikel vom 21.06.2005