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»Schau mir in die Augen, Fan«

Eigenartige Kontrollen, aber mit Sicherheit ein tolles Fußballfest in Köln

Von Dirk Schuster
Köln (WB). Der große WM-Tauglichkeitstest: Köln ist in Teilen durchgefallen. So prächtig die Atmosphäre im und um das Stadion war, so bedenklich stimmen die Sicherheitskontrollen an den Eingängen.

Beamte in Zivil statt in der Sonne blitzende Schlagstöcke: In der Innenstadt und vor der Arena üben sich die Sicherheitskräfte in wohltuender Zurückhaltung. Die Polizei ist präsent, aber ohne übertriebenen Präsentierzwang.
Verwunderung dafür am Stadioneingang: Nur ein flüchtiger Blick in den Rucksack, dafür ein ganz tiefer in die Augen - so will hier der Herr Kontrolleur auf Nummer Sicher gehen, dass keine Wurfgegenstände oder Feuerwerkskörper ins Stadion geschmuggelt werden. Aufs Abtasten wird gänzlich verzichtet, nicht mal ein Griff an die Hosentaschen. Das ist überraschend nach allem, was im Vorfeld über die Sicherheitsmaßnahmen zu lesen war. So unbehelligt wie zum Confed-Kick findet sonst ein Fan nicht mal zu einem Regionalligaspiel Einlass.
Überraschend laxe Einlasskontrollen, ihrem Frohnaturen-Ruf machen die Rheinländer aber alle Ehre. Ein lockerer Spruch hier, ein Augenzwinkern da - an den Stadiontoren hat sich der Supervisor mit dem Megaphon einen Platz gesichert, der ihm Übersicht verschafft. Von oben herab behandelt er das Fußvolk aber nicht, delegiert freundlich im kölsche Dialekt die Massen zu den Eingängen. Das beugt Staus vor. Keine zwei Minuten in der Schlange gestanden und schon drin. Der Steward auf der Treppe hoch zum Block lächelt und wünscht viel Spaß. Jetzt geht's richtig los!
Tolle Sicht von Platz 24, Reihe 17, Block 12 auf der Westtribüne. Aber leider kein tolles Spiel. Eine schwungvolle Viertelstunde, dann lässt Deutschland nach. Aber nur auf dem Rasen, nicht auf den Rängen. Das Kölner Publikum hat Spaß, huldigt seinem Prinzen Poldi. Beifall statt Buhrufe für Robert Huuuuuuuuth. Die Unterstützung tut ihm gut, die Fans helfen dem ins Stolpern geratenen Verteidiger wieder auf die Beine. Schön auch der ausgiebige Abschieds-Dank der Spieler ans Publikum. Jetzt hat der Fan das Gefühl, für Eintrittsgeld und Unterstützung etwas zurückzubekommen.
Die Pfiffe gegen Jens Lehmann trüben das friedlich-fröhliche Bild zwar ein wenig. Aber immerhin einen Fan wusste der Kahn-Herausforderer an diesem Tag hinter sich. Dass der allerdings so unbehelligt aufs Grün flitzen konnte, um während des Spiels seine Nummer eins herzlich in die Arme zu schließen, passte ins Kölner Unsicherheits-Bild. Ehe der erste Ordner eingriff, hatte Lehmann schon fast wieder den Torabschlag ausgeführt. Aber wie der Rheinländer zu sagen pflegt: Et hätt noch immer jot jegange!

Artikel vom 20.06.2005