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Ein Germanist als Quiz-Kandidat

Grotemeyer-Preis für Mein - 500 Gäste bei Jahresempfang des Uni-Rektorats

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Zum sechsten Mal hat die Universität gestern Abend Partner, Freunde und Förderer zum Jahresempfang eingeladen. Einer Tradition folgend berichtete Rektor Prof. Dr. Dieter Timmermann den gut 500 Gästen aus der Hochschule und kündigte bei der Gelegenheit an, dass man versuchen werde, ein Max-Planck-Institut einzuwerben. Und zum mittlerweile neunten Mal wurde der Karl Peter Grotemeyer-Preis für hervorragende Leistungen und persönliches Engagement in der Lehre verliehen. Er ging an den Germanisten Dr. Georg Mein.

Ein Seminar mit fast 300 Studierenden? Unmöglich, in solchen Größenordnungen jeden Einzelnen anzusprechen und kollektives Einschlafen zu verhindern, würden die meisten meinen. Georg Mein aber sieht das anders - und als Herausforderung. Wenn es sein muss, setzt sich der Germanist auch als Quiz-Kandidat vor die Studierenden und beantwortet ihre Fragen zur Literatur des 19. Jahrhunderts im Stile von »Wer wird Millionär?«.
Seine innovativen Ideen, seine Art, eine Atmosphäre des Lernens zu schaffen, sein hohes wissenschaftliches Niveau, verbunden mit Verständlichkeit, wissen die Studierenden zu schätzen: Sie haben Mein vorgeschlagen für den Karl Peter Grotemeyer-Preis, der von der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft vergeben wird und den gestern Ortwin Goldbeck, Vorsitzender der Uni-Gesellschaft, und Geschäftsführer Prof. Helmut Steiner verliehen. Benannt ist die Auszeichnung, die mit 3000 Euro dotiert ist, nach dem langjährigen Uni-Rektor.
Die Laudatio auf den Preisträger, der 1970 in Hamburg geboren wurde und als Studienrat im Hochschuldienst für germanistische Literaturwissenschaft und -didaktik an der Universität Bielefeld lehrt, hielten die Studentinnen Ilka Bude und Marie Beschorner. »Motivator und Moderator« sei Georg Mein. Ausruhen kann man sich bei ihm gleichwohl nicht: Studenten sollten stets gut vorbereitet sein, »weil man immer Gefahr läuft, spontan drangenommen zu werden.« Mein öffne den Blick für Bereiche jenseits des Tellerandes und bringt die angehenden Germanisten dazu, noch zu Hause über die im Seminar behandelten Inhalte nachzudenken. Zudem: »Er ist einer der wenigen, der in den Wirren der Bachelor-Administration den Überblick behält und präzise Auskunft gibt.«
Ein insgesamt positives Bild - trotz schwieriger Rahmenbedingungen - zeichnete Rektor Timmermann von der Situation der Bielefelder Alma mater. »Der Weg einer Schärfung des eigenen Profils  . . . wurde konsequent weitergegangen. Nur so ist die unabdingbar erforderliche internationale Sichtbarkeit auch in Zukunft zu erreichen.« In vielen Forschungsbereichen formuliert die Universität für sich einen Exzellenzanspruch, die Sonderforschungsbereiche - just wurde einer in der Mathematik etabliert - belegen dies. Erfolgreich war die Hochschule auch bei der Einwerbung von Drittmitteln: »Mit etwa 36,5 Millionen Euro konnte die Vorjahressumme um 3,5 Prozent übertroffen werden.« Das nächste große Projekt, welches das Rektorat in Angriff nehmen will, ist die Einwerbung eines Max-Planck-Institutes für Intelligente Interaktive Systeme. Die Chancen, so Timmermann, seien nicht schlecht, zumal Bielefelder Wissenschaftler hier führend seien.
Ausdrücklich begrüßte der Uni-Rektor die von der neuen Landesregierung angekündigte größere Autonomie der Hochschulen und den Ausbau der Fachhochschulen. Der dürfe aber auf keinen Fall - »wie zu befürchten« - zu Lasten der Universitäten gehen.
Festredner des Abends war der ehemalige Kulturstaatsminister Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seine Frage »Wozu heute noch Geisteswissenschaften?« beantwortete er mit einem Plädoyer für selbige. Die Geisteswissenschaften, so sein Credo, schärfen den Blick, erlauben, kulturelle Gegenstände präziser zu erfassen und tragen zur deskriptiven und normativen Orientierung bei. Und die Geisteswissenschaftler, meint Nida-Rümelin, seien besser als ihr Ruf: Das Gerede von der Krise verdecke, dass sie problemlos von einem mobilen und dynamischen Arbeitsmarkt aufgenommen würden - gerade, weil sie oft nicht spezifisch auf ein Berufsziel ausgebildet würden.

Artikel vom 18.06.2005