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Ein Brief von Blüm und die historische Chance

Parteitage von CDU und FDP billigen Koalitionsvertrag

Von Reinhard Brockmann
Düsseldorf/Dortmund (WB). Zwei Bühnen, ein Stück: CDU und FDP haben am Samstag auf Landesparteitagen den schwarz-gelben Koalitionsvertrag angenommen.
Parteichef Guido Westerwelle (rechts) und Landeschef Andreas Pinkwart verstehen sich gut - auch ohne Ingo Wolf.

In Rekordzeit und ohne Gegenstimme billigten die 400 Liberalen das 64-Seiten Papier. Auch Parteichef Guido Westerwelle hielt eine seiner kürzesten Parteitagsreden. Nach 15 Minuten verabschiedete er die Delegierten ins Freibad: »Genießen Sie das Wochenende, es ihr letzter Urlaub in diesem Jahr.«
Eine Gegenstimme und eine Enthaltung konnten auch den 672 Unionsdelegierten die Feierstimmung in Düsseldorf nicht nehmen. Der künftige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers bekundete, er sei nach kurzen und intensiven Koalitionsverhandlungen müde und zufrieden. Fast schien es, als müsse er die Partei aus dem Rausch des Sieges, den er ihr natürlich gönnte, in den Alltag zurücklotsen. Er tat es nicht per Schreck-Therapie, für die der vorgefundene »unmoralische« Landeshaushalt reichlich »Schocker« geboten hätte. Rüttgers hielt einfach eine ausgezeichnet Rede.
Persönliches zum Einstieg, Bescheidenes zum Anfüttern der Zuhörer (»Der Erfolg hat viele Väter«), Nüchternes zum Nachvollziehen (»kein Geld für Konjunkturprogramme«) und Nachdenken anhand der langen historischen Linien von Konrad Adenauer bis zur Ethik-Debatte mit ihren heutigen Herausforderungen.
Von Norbert Blüm habe er vor wenigen Tagen »einen wunderschönen Brief« erhalten, begann Rüttgers den weihevollsten Teil seiner Ansprache. »CDU-NRW« stehe auch für Inhalte, schrieb ihm der Vorgänger im Amt des Landesvorsitzenden und das soziale Gewissen der Union. Selbst das »Ahlener Programm« von 1947 (das die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien fordert) sei nicht pure Nostalgie, zitiert er Blüm und bewertet: »Auch wenn konkrete Vorschläge überholt sind, so bleibt doch der soziale Impuls, der von ihm ausging: Freiheit und Gerechtigkeit.«
Rüttgers nutzt das Schreiben, um dem kommenden Vorwurf sozialer Kälte vorzubauen. Die Partei folgt ihm mit zustimmendem Beifall, der keine Grenzen kennt, als sich der Wahlsieger mit dem folgenden Blüm-Zitat selbst in die Ahnengalerie hängt: »Du, lieber Jürgen, stehst in der Tradition von Adenauer und Arnold. Nur Mut.«
Fast zeitgleich in Dortmund hatte FDP-Landeschef Andreas Pinkwart Mühe klarzustellen: »Auf dem Titel des Koalitionsvertrages steht nicht nur FDP drauf, es ist auch viel FDP drin.« Klarer Leitfaden sei die ordnungspolitische Ausrichtung auf die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, die auch Rüttgers beschworen hatte. Der Vertrag sei nicht »Patchworkarbeit« und mit Ressortzuschnitt und -verteilung werde ganz klar: »Die FDP ist Gestaltungspartei.«
Von »dem historischen Erfolg dass die FDP nach 25 Jahren wieder Regierungsverantwortung in NRW übernimmt«, schwärmte Spitzenkandidat Ingo Wolf. Der künftige Innenminister resümierte: »SPD und Grüne überließen uns das Land als Sanierungsfall.« FDP und CDU machten sich nun an den Neuanfang. »Im Koalitionsvertrag ist als klares Markenzeichen die Kraft der Freiheit, die persönliche Selbstbestimmung und der kreative Wettbewerb erkennbar.«

Artikel vom 20.06.2005