21.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Merkel will Mittelschicht fördern

Die FDP verspricht Milliarden-Entlastung ohne Steuererhöhungen

Berlin (dpa). Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel will im Wahlprogramm von CDU und CSU den Interessen der »Mittelschicht« vom Facharbeiter bis zum Kleinunternehmer besonders Rechnung tragen.

Nach einer CDU-Vorstandssitzung betonte Merkel gestern erstmals in dieser Deutlichkeit, sie halte es »für ganz wichtig«, gerade »diese Gruppe auch in den Blick zu nehmen«. »Das muss nicht immer mit Geldverlust oder Geldgewinn einhergehen.« Es könne auch durch Bürokratieabbau geschehen.
Die FDP will eine umfangreiche Steuerreform mit einer Milliardenentlastung ohne Steuererhöhungen finanzieren. Das kündigte FDP-Schatzmeister Hermann Otto Solms gestern an.
Die CDU-Vorsotzende legte sich gestern allerdings noch nicht auf Details des Wahlprogramms fest, das am 11. Juli veröffentlicht werden soll. Die Union will nach den Worten ihrer Kanzlerkandidatin die notwendigen Veränderungen gerecht umsetzen. Dies bedeutet, dass die Veränderungen »für alle spürbar« sein müssen. »Wir sprechen sehr häufig über Arbeitslosengeld-II-Empfänger. Das ist richtig und wichtig. Wir sprechen auch sehr oft über Menschen, die sehr reich sind. Ein wenig aus dem Blickfeld der politischen Diskussion sind die geraten, die man normalerweise als Mittelschicht oder Mittelklasse betrachtet«, sagte Merkel.
Zu dieser Mittelklasse gehörten nach ihren Worten die Facharbeiter genauso wie die Akademiker, kleine mittelständische Unternehmer und erziehende Mütter. Diese Gruppe habe vielfach den Eindruck, »dass man ihnen Knüppel zwischen die Beine wirft, als dass man ihre Leistungsanstrengungen belohnt.«
Das FDP-Konzept eines radikal vereinfachten Steuersystems baut auf dem von den Liberalen seit langem propagierten Stufentarif mit nur noch drei Steuersätzen von 15, 25 und 35 Prozent auf. Unternehmen sollen mit 15 oder 25 Prozent besteuert werden. Auf der Gegenseite sollen Einsparungen, der Abbau steuerlicher Ausnahmen und Vergünstigungen bis zu 36 Milliarden Euro einbringen. Dies sei eine »extrem konservative« Schätzung, versicherte Solms. »Wir wollen ein neues Steuerrecht, das ohne Vergünstigungen auskommt.«
Mit elf bis 12,5 Milliarden Euro sieht die FDP das größte Einsparvolumen im Bundeshaushalt. Allein aus einer Stunde Mehrarbeit pro Woche errechnete Solms Mehreinnahmen des Staates in Höhe von fünf Milliarden. Kapitalvermögen wollen die Liberalen nach dem Vorbild Österreichs mit einer Zinsabgeltungssteuer von 25 Prozent belegen, was zu Mehreinnahmen von 2,4 Milliarden Euro führen soll.
Die Privatisierung des Bundesvermögens schlägt in dem FDP-Konzept mit 4,5 Milliarden Euro zu Buche, ein konsequenter Bürokratieabbau mit 3,75 Milliarden. Bis zu drei Milliarden Euro soll die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs einbringen. Ebenfalls ein Plus von drei Milliarden verspricht sich die FDP von einer Neustrukturierung der Bundesagentur für Arbeit.
Solms wandte sich auch gegen Überlegungen in den Reihen der Union, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Wer jetzt von Steuererhöhungen rede, gefährde Strukturveränderungen und mindere den Druck auf die Kürzung staatlicher Ausgaben.

Artikel vom 21.06.2005