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Rüttgers: »Wir werden
überall sparen müssen«

Neue Koalition übernimmt 110 Milliarden Schulden

Düsseldorf (dpa/lnw/WB). Unter einem striktem Spardiktat wollen CDU und FDP von der kommenden Woche an Nordrhein-Westfalen regieren. »Wir werden überall sparen müssen. Jeder wird es merken«, kündigte der designierte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) gestern nach Abschluss der schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen in Düsseldorf an.

Mit seinem Amtsantritt wird Rüttgers am Mittwoch, einen Monat nach der Landtagswahl, die 39-jährige Regierungszeit der SPD im größten Bundesland beenden. Die Koalition werde ihr »Mandat für den Politikwechsel« nutzen, um vor allem bei Wirtschaftswachstum, Arbeit und Bildung Schwerpunkte zu setzen, kündigte Rüttgers an.
»Es ist kein Geld da. Wir werden mit den bestehenden Strukturen effizienter umgehen müssen. Das ist eine Herkulesaufgabe«, sagte der designierte Innenminister Ingo Wolf (FDP) mit Bezug auf die Kassenlage des Landes. Der Schuldenberg beträgt mehr als 110 Milliarden Euro.
Einen historischen Einschnitt im ehemaligen Montanland NRW wollen die Koalitionäre vor allem mit einem Ausstieg aus den Steinkohle-Subventionen vornehmen. Dieses Opfer werde aber nicht ausreichen, um das auf 6,5 Milliarden Euro bezifferte strukturelle Defizit im Landeshaushalt auszugleichen, betonte Rüttgers.
Jährlich müssten 2,2 Milliarden Euro quer durch alle Bereiche eingespart werden. »Wir werden den Menschen Erhebliches zumuten müssen«, sagte Rüttgers. »Jeder wird sich etwas überlegen müssen, wie er mit weniger Geld, aber mit mehr Engagement und mit besseren Ideen auskommt.« Bis zu 20 Prozent Kürzungen in allen Bereichen seien möglich. Vor allem in der Bürokratie müsse gespart werden.
Der 64-seitige Koalitionsvertrag löse ein, was den Menschen im Wahlkampf versprochen worden sei, sagte der künftige Vize-Ministerpräsident und Forschungsminister Andreas Pinkwart (FDP). Dazu zählten die Einstellung von mindestens 4000 zusätzlichen Lehrern bis 2010, die Einführung sozialverträglicher Studiengebühren und die geplante Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten an Werktagen. »Bafög-Studenten brauchen keine Studiengebühren zu bezahlen«, unterstrich Rüttgers.
Die neue Landesregierung erwägt, ihren Landesanteil an der WestLB zu verkaufen. Privatisierungserlöse sollten zwar überwiegend zur Tilgung von Altschulden verwendet werden, teilweise aber auch einen Innovationsfonds speisen, kündigte Pinkwart an.
Zu seiner Regierungsmannschaft wollte Rüttgers sich nicht näher äußern. Im Koalitionsvertrag sind aber elf Geschäftsbereiche für das künftige Kabinett ausgewiesen. Die bisherige rot-grüne Landesregierung hatte zehn Ministerien.
Als einziger Ostwestfale im engeren Regierungskreis steht bislang Günter Kozlowski (Gütersloh) als Staatssekretär fest. Nicht bestätigen wollte CDU-Bezirkschef Elmar Brok gestern, dass Rüttgers ihn beauftragt habe, eine CDU-Frau aus Ostwestfalen für das Amt der Familienministerin zu suchen und dass im Falle eines erfolglosen Findungsverfahrens dem Paderborner Bürgermeister Heinz Paus das Justizministerim angetragen werde.

Artikel vom 17.06.2005