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Leitartikel
NRW-Koalitionsvertrag

Fahrplan für
sieben
magere Jahre


Von Reinhard Brockmann
Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag von Düsseldorf besticht durch Schlichtheit und Entschlossenheit. Vieles steht dort exakt so, wie es vor der Wahl verkündet wurde. Nichts fehlt wirklich, keine Spur von geschraubter Programm-Prosa. NRW ist bankrott, CDU und FDP nehmen das als Chance für den Neuanfang mit Intelligenz statt Geld.
Nur ein Beispiel: So einfache Sätze wie »Der Drittelerlass wird abgeschafft« bedeuten eine radikale Rückkehr zum Leistungsprinzip an den Schulen des Landes. Dadurch, dass seit Jahrzehnten in NRW ein Drittel der Klassenarbeiten nicht unterhalb der Note »ausreichend« liegen soll, ziehen schlechte Schüler (oder schlechte Lehrer) sich selbst permanent nach unten. Das soll vorbei sein und ist ganz nebenbei kostenlos zu haben.
Radikale Beispiele für die erhoffte Wende zum Besseren finden sich auch im Baurecht, bei der Abschaffung des Beauftragtenunwesens (einschließlich Kommunen) und der Sonderbehörden. In der Landwirtschaft, noch mehr in der mittelständischen Wirtschaft wird alles an Bremsen gelöst, was verantwortlich geht.
Klar, dass jetzt sofort die Verzagten und die Bedenkenträger das Wort ergreifen. Sie kennen tausend Gründe, warum dies oder jenes nun gerade nicht sein darf. Alle sollten sich erst einmal die 65 Seiten des Entwurfs vornehmen und genau lesen. Kritiker werden danach vermutlich von Kälte und Härte sprechen, insgeheim aber das große Maß an Reformbereitschaft bewundern. Solange es nur Dritte trifft, könnte in den nächsten Tagen leise Zustimmung sogar aus dem roten und grünen Lager zu hören sein.
Exakt wägen, was formuliert ist, das werden auch die Delegierten von CDU und FDP, die am Samstag in Düsseldorf und Dortmund den Koalitionsvertrag gutheißen müssen. An der Zustimmung gibt es keinen Zweifel. Denn die fast schon verdächtig harmonischen Verhandlungen in zehn Koalitionsrunden haben gezeigt, dass beide Parteien sehr viel mehr Gemeinsames als Trennendes haben. Mag sein, dass gerade in der CDU einige bis Samstag wieder der Mut verlässt, den Rüttgers und die Seinen für die nächsten Jahre festgeschrieben haben. Aber außer kosmetischen Korrekturen sind kaum Eingriffe zu erwarten.
Niemand muss vor dem neuen in NRW ungewohnten Tempo erschrecken. Denn mit dem Koalitionsvertrag gibt es noch kein einziges Gesetz. Die Finanzen setzen sehr enge Spielräume. Auch verweisen Rüttgers wie Pinkwart einstimmig auf einen Zeitrahmen, der über die Legislaturperiode hinausreicht. Das entspannt die Lage nicht nur für den Verwaltungsstandort Detmold, sondern gibt auch Raum für die zahlreichen personalrechtlichen Schwierigkeiten, die die nächsten Jahre im Rahmen der Bürokratiereform noch bringen werden.
Ganz klar, erst kommen die sieben mageren Jahre in NRW. Dass dann schon sieben fette Jahre folgen, hat Rüttgers nicht versprochen.

Artikel vom 17.06.2005