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Leitartikel
Studiums-Info mangelhaft?

Wie der
Ochs' vorm
Uni-Tor


Von Rolf Dressler
Verflogen ist der Party-Rausch der Abi-Abschlussfeten des Jahrgangs 2005. Doch schon - man fasst es kaum - werden abertausende »Kampftrinker mit Reifezeugnis« (Zitat der Wochenzeitung »Die Zeit«), gerade erst ausgenüchtert nach den feucht-fröhlichen Strapazen gemeinsamer Kurzausflüge nach »Ballermann«-Mallorca, Ibiza, Bulgarien oder in die Türkei, von noch härterer Pein gepackt:
Ein Ansturm von Ahnungslosen brandet alljährlich gegen Deutschlands Hochschulen. Denn rat- und orientierungslos wie der sprichwörtliche Ochs' vorm Berge, so hört man, stehen die meisten (!) Abiturienten da, weil sie schlicht nicht wissen, was an der Universität konkret auf sie zukommt.
Beinahe schon rührend jedoch mutet daher die fürsorglich mitgereichte Beteuerung an, engagierte Lehrer, Professoren und Studenten wollten die Gräben zwischen Gymnasien und Hochschulen nun endlich, endlich schließen. Offenkundig also wurden und werden Deutschlands angehende Abiturienten reichlich unzulänglich bis mangelhaft auf den Umstieg ins Hochschulstudium vorbereitet.
Und wenn das zutrifft: Wer trägt die Verantwortung für ein solches Armutszeugnis? »Die« Politik? Eine von ihr gezielt gelenkte, sprich: ideologisch fehlgeleitete Kultusbürokratie? Zu befürchten ist, dass jeder »übliche Verdächtige«, der darauf kritisch angesprochen wird, sehr energisch versichert, gerade er können seine Hände nun aber wahrhaftig in Unschuld waschen. Schuld sind im Zweifelsfall bekanntlich immer die jeweils anderen.
Rund um die Uhr wird dem Pu- blikum gebetsmühlenartig eingetrichtert, vor allem auch die nachwachsende Generation müsse in jeder erdenklichen Weise für die Herausforderungen der Globalisierungsrevolution gerüstet und für Zukunft demgemäß gebildet und ausgebildet werden. Völlig unbegreiflich, ja, geradezu grotesk, dass es ungezählten Abiturienten gerade bei uns in Deutschland an handfest klaren Wegweisungen in Richtung Hochschule und Studium fehlen soll.
Die Gründe für derlei Grundversäumnisse - hier seitens der Schulen - müssen tiefer liegen. Könnten sie etwa (auch) zu tun haben mit jener »ruinösen Schonhaltung« der jahrzehntelang flickschusternden, sogenannten Reformpädagogik? Also mit jener Ideologie, die einen verbissenen Dauerkampf gegen angeblich schädliche »Überforderung« führt - wobei durchaus nicht immer deutlich zu erkennen ist, wer (stärker) geschont werden soll, die Lernenden oder die Lehrenden?
Das Zukunfts-»Kapital« aber ist und bleibt eine anspruchsvolle Lehre an Schulen und Hochschulen, welche die Lernenden immer wieder auch bis an die Leistungsgrenzen fordert.
Anders gesagt: Dauerhafte Unterforderung ist letztlich höchst unsozial. Denn dadurch verarmt erst der Geist und dann die Volkswirtschaft. Und genau damit verspielen Land und Leute die eigene Zukunft.
Übrigens: Immer mehr Eltern fühlen sich durch die Erziehung ihrer Kinder überfordert...!

Artikel vom 18.06.2005