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Der christliche Widerstand
wies den Weg aus dem Chaos

60 Jahre CDU - Auslöser die Idee einer überkonfessionellen Volkspartei

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Am Anfang der CDU stand das Chaos, ausgelöst vom totalen Zusammenbruch und den weit auseinander liegenden Vorstellungen der Überlebenden. Einzige Klammer: die Suche nach dem überkonfessionellen Weg.

Katholische wie protestantische Gründerväter der CDU zogen Lehren aus der Weimarer Republik. In Westfalen, Rheinland und Berlin war das »Vermächtnis der Blutzeugen« aus dem christlichen Widerstand gegen Hitler eine tragende Idee. Überall im Lande bildeten sich nach der Kapitulation im Mai 1945, dabei schon Herford und Paderborn, Gruppen, die sich diesem Ziel verpflichtet fühlten.
Ein Kreis um den noch vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilten, aber freigekommenen Andreas Hermes traf sich zum ersten Mal am 17. Juni 1945, heute vor 60 Jahren, in Berlin. Kurze Zeit später veröffentlichte die Gruppe, ähnlich wie eine andere in Köln, einen Gründungsaufruf.
»Deutsche Männer und Frauen!«, hieß es darin. »Wir rufen Euch auf, alles Trennende zurücktreten zu lassen.« Die Gründungsversammlung der Berliner CDU fand wenig später in eben jenem Berliner Ensemble statt, wo sich heute die Politprominenz zur Feierstunde versammeln wird.
Die Anfangsjahre der CDU beschreibt kaum eine Einschätzung besser, als dieses Zitat aus »L'Ordre«, Paris, vom 21. September 1946: »Diese Partei ist sozialistisch und radikal in Berlin, klerikal und konservativ in Köln, kapitalistisch und reaktionär in Hamburg und gegenrevolutionär und partikularistisch in München.«
Erst Ende des Jahres wurde die neue Partei einheitlich zur »CDU« erklärt. 1950 rief Konrad Adenauer die Bundespartei ins Leben. Starke Landesverbände und eine schwache Zentrale waren für die CDU der Anfangsjahre - und auch danach - prägend. In der späteren DDR verlor die CDU schnell ihre Unabhängigkeit und wurde bis 1952 zu einer »einschränkungslos-sozialistischen« Partei - zu Recht als »Blockflöte« verspottet.
Bis 1967 galt die Union im Westen vielen als bloßer »Kanzlerwahlverein«, den Adenauer dirigierte. Die große innerparteiliche Reform setzte Helmut Kohl Mitte der 70er Jahre durch, als die CDU erstmals ihre Macht in Bonn verloren hatte. Mehr als 25 Jahre leitete der Pfälzer die CDU, am Ende zunehmend wie ein Patriarch, ohne dass einer ernstlich aufmuckte.
Angela Merkel war die erste, die offen mit der Ära Kohl brach. Quellen: Empfehlenswert ist der vom anerkannten CDU-Historiker Günter Buchstab herausgegebene Band: »Brücke in eine neue Zeit«, Herder-Verlag. Noch weit mehr regionale Hinweise, als hier gegeben, bietet: Lothar Albertin, Demokratische Herausforderung und politische Parteien, Der Aufbau des Friedens in Ostwestfalen-Lippe, Schöningh-Verlag, Paderborn 1998.

Artikel vom 16.06.2005