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Visa-Affäre:
Gericht rügt Rot-Grün

Vorzeitigen Ausschuss-Stopp verboten

Berlin/Karlsruhe (Reuters). SPD und Grüne sind mit ihrem Versuch gescheitert, den Visa-Untersuchungsausschuss vorzeitig zu beenden. Das Bundesverfassungsgericht erklärte gestern diesen Beschluss für rechtswidrig.

Das höchste deutsche Gericht gab damit einem Eilantrag von Union und FDP gegen das von den rot-grünen Koalitionsfraktionen durchgesetzte vorzeitige Aus des Ausschusses statt. Das Gericht verpflichtete das Gremium, die Zeugenvernehmung unverzüglich wieder aufzunehmen und solange fortzusetzen, bis der Bundespräsident das Parlament für vorgezogene Bundestagswahlen auflöst. Die Entscheidung fiel einstimmig.
Die Union kündigte an, auf einer Vernehmung von Innenminister Otto Schily zu bestehen. Schily, der die Visapraxis des Auswärtigen Amtes kritisiert hatte, zeigte sich zur Aussage bereit.
Der Ausschuss hatte Anfang Juni mit den Stimmen von SPD und Grünen die Zeugenvernehmung wegen der für September erwarteten Bundestagswahl vorzeitig beendet. Die rot-grüne Koalition begründete dies damit, dass nur so der gesetzlich vorgeschriebene »Sachstandsbericht« über die Arbeit des Ausschusses rechtzeitig vorgelegt werden könne.
Die Union und die FDP sahen ihr Minderheitenrecht verletzt und klagten. Sie werfen der Koalition vor, sie wolle damit unter anderem die für den 8. Juli geplante Aussage Schilys verhindern.
Unions-Obmann Eckart von Klaeden begrüßte die Entscheidung aus Karlsruhe, die dem Versuch von SPD und Grünen einen Riegel vorgeschoben habe, Aufklärung zu verhindern. »Der Rechts- und Verfassungsbruch zieht sich wie ein rot-grüner Faden durch die Visa-Affäre«, sagte Klaeden. Er kündigte bereits für heute eine erste neue Beratungssitzung an, bei der über den weiteren Zeitplan beraten werden solle. Beim Zeitplan sei man kompromissbereit, jedoch bestehe die Union auf der Vernehmung Schilys und weiterer Zeugen wie der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller.
Der SPD-Obmann im Ausschuss, Olaf Scholz, sagte, er verstehe die Entscheidung der Richter zwar nicht, werde sie aber befolgen. Grünen-Obmann Jerzy Montag kritisierte, das Gericht habe sich so verhalten, als sei in Deutschland in den vergangenen Wochen nichts geschehen.
Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel sagte, die Menschen in Deutschland störe es, wie Rot-Grün mit den Institutionen und Regeln umgehe. Deshalb begrüße sie die Entscheidung des Gerichts. CSU-Generalsekretär Markus Söder erklärte, das Urteil zeige, dass die Strategie der Vertuschung und des Verschleierns nicht aufgegangen sei.
Die Opposition wirft der Bundesregierung vor, nach dem Regierungswechsel 1998 die Visa-Politik gelockert und damit den massenhaften Missbrauch deutscher Einreise-Visa an der deutschen Botschaft in der Ukraine erleichtert zu haben. Außenminister Fischer verlor durch die Visa-Affäre in Umfragen drastisch an Beliebtheit. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 16.06.2005