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Vertrauen ist die beste
Basis für wirksame Hilfe

Online-Beratung des »Mädchenhauses« hat sich bewährt

Bielefeld (-er). Das Modellprojekt Online-Beratung hat seine Bewährungsprobe bestanden und wird von der Beratungsstelle des Vereins »Mädchenhaus Bielefeld« weitergeführt. »Es ist eine Bereicherung unseres Angebots und eine flexible Form der Beratung«, fasst Psychologin Ellen Solari zusammen.

Das Telefon war bislang das Kommunikationsmittel mit der niedrigsten Hemmschwelle. Mit dem Internet und der Kommunikation per E-Mail erschließen sich auch der Beratungsstelle neue Möglichkeiten, die zudem Anonymität garantieren. Denn die Mädchen und jungen Frauen, die sich online melden, sind nur mit »Nickname«, also Tarn- oder Spitznamen, anzusprechen und bekommen zudem ein Passwort. Die Online-Kommunikation läuft über einen speziellen Briefkasten, aus dem die Nutzerinnen ihre Post abrufen können. Die Beantwortung von persönlichen Daten (Alter, Wohnsituation und ähnliches) bleibt freiwillig.
»Natürlich bekommen unsere Beraterinnen im Laufe einen längerfristigen Kontaktes Informationen über die Lebenssituation«, erklärt die Sozialpädagogin und Therapeutin Sascha Doerr. Aber diese Angaben sind keine Vorbedingung für eine Beratung. Die Verschlüsselung der Identität, die übrigens beidseitig ist, hat sich als geeignete Hürde gegen den Missbrauch des Angebots erwiesen.
Insgesamt 2133 Mal wurde die virtuelle Beratungsstelle in der einjährigen Probezeit »besucht«. 83 Mädchen (Altersschwerpunkt 14 bis 15 Jahre) hatten 163 E-Mail-Kontakte. 67 nutzten den Einzel-Dialog im so genannten Chatroom, und 14 Gesprächsrunden (Chats) in der Gruppe kamen zustande. Zwölf Mädchen überwanden ihre Schwellenängste und besuchten nach ersten E-Mail-Kontakten die reale Beratungsstelle in der Renteistraße. Und häufig kommt es auch vor, das junge Ratsuchende zwischen den verschiedenen Möglichkeiten des Kontakts beziehungsweise der Beratung wechseln: telefonisch, persönlich, per Internet.
Die Fragen und Probleme, mit denen sich die Mädchen an die Online-Beratung wenden, sind den Fachfrauen bekannt: Probleme mit Familie, Freundin oder Freund, sexualisierte Gewalt, selbstverletzendes Verhalten, Essstörungen, Depressionen und mehr. Das Internet bietet den Betroffenen die Möglichkeit, unabhängig von Zeit und Ort ihre Anliegen in Worte zu kleiden. »Auch wenn unsere Beraterinnen nicht sofort antworten, gibt das unmittelbare und schnelle Schildern Entlastung oder sogar Erleichterung«, macht Ellen Solari deutlich. Häufig kommen Mails nachts oder am Wochenende, aus Internetcafés oder anderen Internet-Zugängen außerhalb des familiären Zugriffs. Gelingt es den Beraterinnen, das Gefühl zu vermitteln, gut aufgehoben zu sein, wachsen Zutrauen und Motivation, sich kompetente Hilfe zu suchen.
Sechs Stunden umfasst das Online-Angebot derzeit; der Verein »Mädchenhaus« sorgt für die Fortführung des Modells. Weil die Förderung seit März dieses Jahres wegfällt, sind Spenden und Sponsormittel natürlich gerne gesehen. »Wir wollen die Online-Beratung dauerhaft anbieten«, sagt Sascha Doerr. Spendenkonto 11 81 82 bei der Sparkasse Bielefeld. Über Handzettel wurde das Angebot in Schulen und Jugendzentren der Region bekannt gemacht. »Junge Frauen sind fit bei der Orientierung im Internet und finden uns auch durch gezielte Suche«, hat Ellen Solari herausgefunden.
www.maedchenhaus-bielefeld.dewww.das-beratungsnetz.de

Artikel vom 30.06.2005