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Der Versöhnung
eine Chance

Burkard Budde ist evangelischer Pfarrer.

»Dem werde ich es zeigen!« Wer sich wie Luft oder ungerecht behandelt fühlt, entwickelt häufig Rachegefühle. Jedes Wort wird künftig auf die Goldwaage gelegt. Eine frostige und Atmosphäre des Misstrauens entsteht. Offene Rechnungen werden beglichen. Beziehungskonflikte belasten vor allem Sachkonflikte, zum Beispiel: »Welcher Kuchen soll gekauft werden?«, Verteilungskonflikte (»Wer bekommt welches Stück vom Kuchen?«), Rollenkonflikte (»Wer setzt sich beim Kauf durch?«), Wahrnehmungskonflikte (»Wie ist es zu dem Kauf gekommen?«) und Zielkonflikte (»Wie soll mit dem Kuchen umgegangen werden?«).

Vielfach sieht man nur die »rationale« Spitze eines Eisberges und übersieht den persönlichen Rest, der unterhalb der Oberfläche einer Beziehung liegt, jedoch das ganze Geschehen bestimmt. Friedensstifter schlüpfen nicht in die Rolle des Hasspredigers, der mit seinen Verunglimpfungen nur das Wasser vergiftet, das er eines Tages selbst trinken muss. Sie verstehen sich auch nicht als Moralprediger, die nüchterne Analyse durch gute Gesinnung ersetzen oder moralisierend jemanden in die Knie zu zwingen versuchen. Sie müssen sich auch nicht wie friedfertige Menschen verhalten, die alles erdulden, sich feige und tatenlos verkriechen.

Christliche Friedensstifter wagen aus Liebe zum Nächsten einen schöpferischen Neuanfang in der Sache. Sie setzen sich dafür ein, dass die Vernunft vernünftig und menschlich wird. Das kann bedeuten, Konflikte anzunehmen und fair auszutragen, damit sie nicht nachgetragen werden; sie zu institutionalisieren, damit sie nicht eskalieren; sie gemeinsam zu lösen, damit Versöhnung eine Chance erhält.
Burkhard Budde

Artikel vom 18.06.2005