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Orgel als unbekannte
Attraktion bestaunt

Novum: Moslemische Frauen besuchen Lutherkirche

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Novum im Kirchenkreis Bielefeld: Erstmals haben gestern zehn islamgläubige Frauen eine christliche Kirche besucht. Pfarrer Hartmut Brünger führte die Moslime durch die Lutherkirche.

»Besuche von Christen in den örtlichen Moscheen hat es ja bereits öfter gegeben - nun ist auch die Neugierde der Anhänger des Islam geweckt«, stellte Brünger erfreut fest. »Wenn es nach unseren Wünschen geht, finden solche Kirchenbesuche künftig regelmäßig statt.«
Die zehn Moslime konnten Karten in der Kirche auslegen, die mit Ausrufezeichen (»Das erstaunt mich!«) und mit Fragezeichen (»Ws bedeutet das?«) markiert waren. Die Gäste wollten vor allem über die christliche Symbolik aufgeklärt werden - vom Kreuz als Sinnbild des sich selbst opfernden Gottes bis zum Pelikan mit seinen Küken, einem beliebten Bildnis für aufopfernde Mütterlichkeit. »Die Lutherkirche der Markusgemeinde eignet sich wegen ihres reichen Bildschmucks besonders gut für Erklärungen und Einführungen in die Vorstellungswelt der Christen«, sagte Pfarrer Brünger. Und eine besondere Attraktion war die in Moscheen unbekannte Orgel.
»Vielleicht ist das Angebot, eine unserer Kirchen besuchen zu können, bislang nicht so recht deutlich geworden«, mutmaßt Astrid Weyermüller, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Kirchenkreis. Es gelte nun, den religiösen Dialog fortzuführen und zu intensivieren.
Die zehn Frauen aus der (vereinsrechtlich organisierten) Gemeinde der Brackweder Hicret-Moschee stehen über ihre Vorsitzende Yeter Cibasnaz und über die Frauenbeauftragte mehrerer der 13 Bielefelder Moscheegemeinden, Hamide Ileri, seit längerem in Kontakt mit dem Kirchenkreis. Den christlich-moslemischen Dialog treiben auf der anderen Seite Claudia Hülsenbeck, Referentin für Erwachsenenbildung im Kirchenkreis, und die Islambeauftragte Brigitte Maske voran, die beide an der gestrigen Führung teilnahmen.
»Mit der Aktion zeigen wir nicht zuletzt, dass wir moslemischen Frauen ein eigenständiges Leben führen«, sagte Hamide Ileri. »Entgegen üblicher Vorstellungen unterdrücken unsere Männer uns nicht.« In der Hicret-Moscheegemeinde sind etwa 50 Frauen organisiert, mehr als 100 besuchen die Veranstaltungen.
»Als Brücke zum Miteinander der Religionen könnten sich die kirchlichen Feste erweisen«, spekuliert Pfarrer Brünger. Am Adventsmarkt 2005 jedenfalls wollen auch moslemische Frauen teilnehmen. Dialoginteressierte Bürger können sich telefonisch unter 05 21 / 9 69 72 36 bzw. 01 60 / 95 37 02 43 an Hamide Ileri und unter 05 21 / 58 37-169 an Claudia Hülsenbeck wenden.

Artikel vom 15.06.2005