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Die Formel-Farce in den USA

Michelin-Teams in der Box - Michael Schumacher gewinnt gegen Fünf

Indianapolis (dpa). Ein einmaliger Eklat in der 55-jährigen Formel-1-Geschichte hat Weltmeister Michael Schumacher in Indianapolis den ersten Saisonerfolg beschert.

Doch der 84. Grand-Prix-Sieg des 36 Jahre alten Rekordchampions vor seinem Teamkollegen Rubens Barrichello beim Großen Preis der USA war eine Farce. Denn außer dem Ferrari-Duo hatten nur Tiago Monteiro (Portugal) und Narain Karthikeyan (Indien) im Jordan, die am Ende auf den Plätzen drei und vier landeten, sowie Christijan Albers (Niederlande) und Patrick Friesacher (Österreich) im Minardi das Rennen aufgenommen.
Die anderen 14 Piloten mit dem WM-Ersten Fernando Alonso an der Spitze, die mit Michelin-Reifen fahren, verweigerten aus Sicherheitsgründen den Dienst und fuhren nach der Aufwärmrunde an die Box. Ferrari, Jordan und Minardi werden mit den Produkten des japanischen Konkurrenten Bridgestone ausgerüstet. Damit hatte das durch Michelin ausgelöste Chaos den Höhepunkt erreicht und die Riesenblamage für die Königsklasse des Motorsports in Amerika perfekt gemacht.
»Wir wussten nicht ganz genau, was sie machen. Wir haben uns nur uns konzentriert«, meinte Michael Schumacher, der bei der von Buhrufen und Pfiffen begleiteten Siegerehrung auf die übliche Champagnerdusche verzichtete. Red-Bull-Sportdirektor Helmut Marko befürchtet: »Es ist nicht auszuschließen, dass das Ende der Formel 1 in den USA bedeutet.«
Toyota-Pilot Jarno Trulli, der von der Pole Position hätte starten sollen, meinte enttäuscht: »Eine Schande. Heute hat die Formel 1 Schaden genommen.« Die 150 000 Zuschauer quittierten die Vorstellung mit Pfiffen und verließen in Scharen den Motor Speedway.
Michael Schumacher und Barrichello versuchten eine Zeit lang dennoch eine gute Show zu liefern. 22 Runden vor Schluss wäre es beinahe zu einer Kollision gekommen, als Schumacher aus der Box kam. Barrichello gab aber nach und ließ dem Ferrari-Chefpiloten den Vortritt. Als nach 73 Runden und 306,016 Kilometern der Kerpener in 1:29:43,181 Stunden die Ziellinie überquerte, hatten die meisten anderen Teams ihre Zelte abgebrochen. In der Fahrerwertung verbesserte sich Schumacher mit 34 Punkten auf Platz drei und hat mit nur noch 25 Zähler Rückstand auf den WM-Führenden.
Durch das von Michelin nach dem Unfall von Toyota-Pilot Ralf Schumacher am Freitag ausgelöste Chaos erlebte die Formel 1 ausgerechnet auf dem wichtigen US-Markt ein Desaster. Michelin hatte die Probleme an ihren Produkten, die zum Crash geführt hatten, nicht lösen können. »Wir können die Sicherheit der Fahrer nicht garantieren«, erklärten Motorsport-Direktor Pierre Dupasquier und Formel-1-Direktor Nick Shorrock in einem Schreiben an den Automobil-Weltverband FIA.
Die sieben vom französischen Hersteller ausgerüsteten Teams Renault, BAR-Honda, BMW-Williams, McLaren-Mercedes, Sauber, Red Bull und Toyota forderten den Einbau einer Schikane zur Reduzierung der Geschwindigkeit vor der Steilkurve, in der Ralf Schumacher verunglückt war. Für die Michelin-Teams kam nur diese Lösungsmöglichkeit in Betracht. Die aus Europa eingeflogenen Reifen sollten aus Sicherheitsgründen ebenfalls nicht benutzt werden.
FIA-Präsident Max Mosley lehnte den Vorschlag ab. Der Brite pochte auf die Regeln. Auch Ferrari hatte sich als einziges der zehn Teams gegen die Schikane ausgesprochen. Die Bridgestone-Kunden Minardi und Jordan waren mit der Schikane einverstanden.
Den Michelin-Teams war zunächst noch eine Goldene Brücke gebaut worden. Ein Einsatz der Ersatzreifen wurde von der FIA nicht ausgeschlossen. Obwohl seit dieser Saison nur noch ein Reifensatz für Qualifikation und Rennen pro Fahrer benutzt werden darf.

Artikel vom 20.06.2005