14.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Eltern blockieren Unterricht

Baptisten holen Kinder aus Grundschulklasse - Kreis: »Hausfriedensbruch«

Von Ernst-Wilhelm Pape
Salzkotten (WB). Baptistische Eltern haben an der Liborius-Grundschule in Salzkotten (Kreis Paderborn) den Unterricht gestört. Die Kreisverwaltung wertet das als Hausfriedensbruch.

Nach Angaben des Kreises Paderborn und der Bezirksregierung Detmold haben die Eltern in der vergangenen Woche sieben Kinder aus dem laufenden Aufklärungsunterricht in der Klasse 4b geholt und den Unterrichtsraum blockiert. Gemeinsam mit ihren Mädchen und Jungen saßen sie fest umklammert auf dem Flur, um für die »verderbten Seelen der anderen« zu beten. Die Aufforderung von Schulleiterin Thekla Tuschen, das Gebäude zu verlassen und die Kinder wieder in den Unterricht zu schicken, wurde von den Eltern nicht befolgt. Nach Angaben des Kreises wurde durch diese Aktion nicht nur die Schulpflicht verletzt, sondern auch der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt.
In einem Schreiben an das NRW-Schulministerium bezeichnen die Baptisten den Sexualkundeunterricht als eine »Einführung in die Erfahrung des Vergnügens und ein Anreiz, der den Kindern - schon in den Jahren der Unschuld - ihre Unbefangenheit nimmt und den Weg des Lasters öffnet«. Das Ministerin wird gebeten, die Kinder vom Sexualkundeunterricht zu befreien.
Insgesamt gibt es in der betroffenen Klasse 4b neun Kinder aus baptistischen Familien. Gestern Morgen blieben sieben Kinder dem kompletten Schulunterricht fern. Am Nachmittag fand zwischen der Schulaufsicht und der Schulleitung ein Krisengespräch über das weitere Vorgehen statt. Nach Angaben des Kreises würden jetzt Bußgelder gegen die sieben Elternpaare verhängt.
Bürgermeister Michael Dreier (CDU) betonte, dass in Salzkotten sehr viel für die Integration der baptistischen Familien getan werde. Es werde aber auch erwartet, dass davon auch ein Stück zurück komme. Dreier: »Wir werden keine Gesellschaft in der Gesellschaft zulassen.«
Der zeitweise Boykott von Unterrichtsstunden hat auch im Kreis Gütersloh zugenommen. Nachdem bereits in der Vergangenheit zwei baptistische Familien aus Schloß Holte-Stukenbrock ihren Kindern verboten hatten, beim Landestheater in Detmold die Weihnachtsmärchen-Aufführungen »Urmel aus dem Eis« und »König Drosselbart« zu sehen, wird jetzt an zwei Grundschulen der Aufklärungsunterricht boykottiert. Betroffen sind die Grauthoff-Grundschule in Schloß Holte-Stukenbrock und die Grundschule Avenwedde-Bahnhof. Nach Angaben von Schulamtsdirektor Hartmut Stieghorst werden jetzt Bußgelder gegen die betroffenen Eltern verhängt.
Wie berichtet, gibt es in den Kreisen Paderborn und Höxter sieben Elternpaare die ihre Kinder aus religiösen Gründen gar nicht zur Schule schicken und zu Hause unterrichten. Auch gegen diese Totalverweigerer wurden bereits Bußgelder und in einem Fall zehn Tage Erzwingungshaft verhängt. Nach Informationen dieser Zeitung werden in Deutschland 500 Kinder zu Hause unterricht. Allein in NRW werden insgesamt 42 Kinder aus 26 Familien aus religiösen Gründen nicht zur Schule geschickt.
Seite 4: Kommentar

Artikel vom 14.06.2005