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In einer fremden Welt

Dokumentation über Kriegsheimkehrer im ZDF

ZDF, 20.15 Uhr: Im Oktober 1955 begann die Rückkehr der letzten deutschen Kriegsgefangenen aus sowjetischen Lagern. Nach einem zähen Politpoker hatte Bundeskanzler Konrad Adenauer in Moskau ihre Freilassung erwirkt.
Sorgte für Rückkehr: Konrad Adenauer.Foto: dpa

Wenig bekannt ist, das sagt jedenfalls der Autor Stefan Brauburger, dass auch Hunderttausende deutscher Zivilisten vor und nach Kriegsende in die Sowjetunion verschleppt worden waren - darunter viele Frauen. Auch darüber berichtet er in der Dokumentation »Die Heimkehr der Zehntausend«.
In dem Film schildert eine Frau, die mit den Kriegsgefangenen 1955 heimkehrte, ihre Erlebnisse: Waltraud Nicklaus aus Königsberg. Sie hatte eine unglaubliche Odyssee in der Sowjetunion hinter sich, schrieb persönlich an den Kreml, als sie erfuhr, dass es in Moskau zu Verhandlungen über die Gefangenen kommen würde. Im Oktober 1955 traf sie mit dem ersten Transport der Spätheimkehrer im niedersächsischen Lager Friedland nahe Göttingen ein. »Das, was uns rettete, war der Wille zu leben, wir wollten neu anfangen - der Empfang war unbeschreiblich«, erzählt Nicklaus in der Dokumentation.
Unter den Heimkehrern befanden sich auch Soldaten und SS-Männer, die an Kriegsverbrechen oder am Morden in den Konzentrationslagern beteiligt waren, auch zwei berüchtigte Aufseher aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen, Gustav Sorge (genannt »Eiserner Gustav«), und Wilhelm Schubert (genannt »Pistolen-Schubert«). 1955 wurden sie als »Nicht-Amnestierte« mit den anderen Gefangenen in die Bundesrepublik überstellt. »Auch diese Heimkehrer wurden mit Blumen empfangen«, sagt Karl Stenzel, Überlebender des KZ Sachsenhausen. »Das war empörend.« Anfang des Jahres 1959 verurteilte das Bonner Landgericht Sorge und Schubert zu lebenslangen Freiheitsstrafen.
Doch viele Mütter, Frauen, Kinder warteten vergebens auf ihre Söhne, Männer oder Väter. Viele Heimkehrer sahen sich mit einer für sie völlig fremden Welt konfrontiert, die nicht mehr die ihre war. Andere, wie Waltraud Nicklaus aus Ostpreußen, hatten ihre Heimat verloren: »Wir waren entwurzelt, wo war das Grab der Eltern, wo waren die Wälder der Kindheit?«, sagt sie. »Ich bin hier nie wirklich angekommen.«

Artikel vom 14.06.2005