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Löhne Sache der Tarifpartner

Merkel gegen Einmischung der Politik - Schröder will starken Sozialstaat

Berlin (dpa/Reuters). Die CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidatin der Union, Angela Merkel, hat sich gegen politische Einmischung in die Lohnpolitik gewandt. Dies müsse in den Händen der Tarifpartner bleiben, sagte Merkel gestern nach einer Präsidiumssitzung ihrer Partei in Berlin.Bundeskanzler Gerhard Schröder hat bei einer SPD-Wirtschaftstagung zur Verteidigung der sozialen Marktwirtschaft aufgerufen. In der Lohndiskussion verwies er auf die Zuständigkeit der Tarifpartner.
Angela Merkel: Löhne sind Sache der Tarifparteien.

»Ich halte es für falsch, wenn sich die Politik einmischt.« In Branchen allerdings, in denen die wirtschaftlichen Erfolge gut seien, sollte es auch Perspektiven für die Arbeitnehmer geben.
Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Forderungen von Finanzminister Hans Eichel und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (beide SPD) nach höheren Löhnen zur Verbesserung des Konsumklimas in Deutschland Nachdruck verliehen. Die Entscheidung darüber liege aber bei Arbeitgebern und Gewerkschaften, betonte der Kanzler. »Natürlich wäre es wünschenswert, wenn man die Binnennachfrage stärken könnte, aber die Entscheidung trifft nicht die Politik, die Entscheidung treffen die Tarifparteien«, sagte Schröder gestern in Berlin.
Clement mahnte die Tarifpartner erneut, ihrer Verantwortung nachzukommen und den Weg für höhere Löhne in profitablen Branchen zu ebnen: »Es muss die Binnenkonjunktur in Deutschland gestärkt werden, und dazu müssen alle ihren Beitrag leisten, auch die Tarifparteien.«
Der Bielefelder SPD-Wirtschaftspolitiker Rainer Wend plädierte dafür, Mitarbeiter florierender Unternehmen über Einmalzahlungen am Gewinn zu beteiligen. Als Beispiele nannte er die Branchen Stahl und Chemie. In Bereichen, in denen es nicht so gut laufe, sollte zumindest die Möglichkeit für Einzelvereinbarungen mit erfolgreichen Firmen geschaffen werden.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) nannte die Vorstöße aus der SPD »ein Stück Betrugsversuch in Panik«. Die Bürger wüssten dies aber schon richtig einzuschätzen. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) nannte die SPD-Erklärungen »Wahlkampfstrategie«. Es handele sich um den Versuch, »die Gewerkschaften auf die Seite der SPD zu ziehen«.
Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) zeigte sich offen für höhere Abschlüsse in Einzelfällen. »Löhne müssen sich an der Produktivität orientieren«, sagte Müller, der in der Union für den Fall eines Regierungswechsels als künftiger Arbeit- und Sozialminister gehandelt wird. »Aber es ist sicherlich auch richtig: Wenn die Produktivität hoch ist, wenn Gewinne gemacht werden, sind auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das erwirtschaftet haben, daran zu beteiligen.«
Bundeskanzler Gerhard Schröder hat gestern auf einer SPD-Wirtschaftstagung zur entschlossenen Verteidigung der sozialen Marktwirtschaft aufgerufen. Nur mit einer starken sozialen Absicherung habe eine funktionierende Marktwirtschaft auch eine Zukunft. Schröder warf CDU/CSU und FDP vor, sie wollten mit einem »ungebremsten Sozialabbau« das Rad der Geschichte zurückdrehen. »Wer wie Union und FDP Arbeitnehmerrechte beschneiden, die Mitbestimmung einschränken und den Kündigungsschutz schleifen will, der legt die Axt an die Wurzeln der sozialen Marktwirtschaft.« Der Kanzler betonte: »Die soziale Marktwirtschaft ist kein Auslaufmodell. Sie ist ein Modell für globales Wirtschaften.«
Laut Schröder kann nur ein »starker und handlungsfähiger Staat« auch den sozial Schwachen zu einem anständigen Leben verhelfen. Auch die Wirtschaft müsse wissen, dass sie Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit zu erfüllen habe. Schröder kündigte an, der CDU-Politiker Kurt Biedenkopf werde die Leitung einer Mitbestimmungs-Kommission übernehmen. Dieses Gremium solle Vorschläge machen, wie das deutsche Modell der Arbeitnehmer-Beteiligung angesichts der zunehmenden Globalisierung »zukunftsfest« gemacht werden könne.
Schröder kündigte schärfere Kontrollen und eine wirkungsvollere Aufsicht von spekulativen Hedge-Fonds an. Für bestimmte Aktien-Geschäfte, bei denen Finanzinvestoren mit geliehenen Anteilsscheinen nur Kursschwankungen kurzfristig nutzen, werde eine Meldepflicht eingeführt, betonte der Bundeskanzler.Seite 4: Kommentar

Artikel vom 14.06.2005