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»Wir brauchen die Familien«

Heute im Gespräch: Liz Mohn, Vize-Chefin der Bertelsmann-Stiftung

Gütersloh (WB). Vor zwei Jahren hat Liz Mohn, die stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes der Bertelsmann-Stiftung, gemeinsam mit Bundesfamilien-Ministerin Renate Schmidt (SPD) die »Allianz für Familie« gegründet. Ziel ist es, der Familie wieder einen deutlich höheren Rang zu verschaffen. Zugleich startete die Stiftung das Projekt »Balance von Familie und Arbeitswelt«, das unter anderem im Internet Tipps für kleine und mittlere Unternehmen bereit hält, wie sie ihren mitarbeitenden Müttern und Vätern helfen können. Über die Gründe der Aktion sprach Bernhard Hertlein mit Liz Mohn.
Liz Mohn, die stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes der Bertelsmann-Stiftung, hat 2003 gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) die »Allianz für Familie« gegründet.

Was hat Sie dazu gebracht, das Thema Wirtschaft und Familie in der Bertelsmann-Stiftung aufzugreifen?Liz Mohn: Schon ein Blick auf die Bevölkerungsentwicklung zeigt, dass sich die Werte in unserer deutschen Gesellschaft verändern. Menschen gründen seltener und viel später Familien, es gibt zu wenige Kinder. Wir brauchen aber die Familie -ĂŠnicht nur für das Rentensystem. Sie ist die Keimzelle, aus der die Menschen Kraft und Geborgenheit schöpfen. Der Staat kann eine wärmende Hand nicht ersetzen.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Hürden für die berufstätigen Mütter und Väter?Liz Mohn: Wer sich entscheidet, Familie und Beruf miteinander zu verbinden, nimmt eine enorme Doppelbelastung auf sich. Berufstätige Mütter müssen in der Lage sein, sehr gut zu organisieren. Das verdient Hochachtung. Stattdessen aber müssen die Frauen oft noch mit dem Vorurteil kämpfen, eine »Rabenmutter« zu sein. Da sollten wenigstens die äußeren Bedingungen vor allem im Hinblick auf die Kinderbetreuung verbessert werden. Es gibt zu wenige Ganztages-Kindergärten und -Schulen. Außerdem könnte der Staat die Familien durch Steuererleichterungen etwa bei der Einstellung einer Haushaltshilfe unterstützen.

 Und die Unternehmen?Liz Mohn: Sie sollen den Eltern vor allem durch flexible Arbeitszeitmodelle helfen.

Und die Städte und Gemeinden in Ostwestfalen-Lippe?Liz Mohn: Aus meiner Sicht können die lokalen Bündnisse für Familien sehr hilfreich sein. In der Stadt Gütersloh haben wir im Mai mit Bürgermeisterin Maria Unger ein entsprechenden Bündnis auf den Weg gebracht. Die Bertelsmann-Stiftung ist jetzt dabei, diese Initiative auf den Kreis Gütersloh auszudehnen und unter anderem eine Halbtages-Stelle zu finanzieren. Ziel ist, Gütersloh zum familienfreundlichsten Kreis Deutschlands zu machen.

Von Teilzeitarbeit bis zu dem für Notfälle eingerichteten Spielzimmer für Kinder erfordern familienfreundliche Maßnahmen Aufwand und auch Geld. Sind sie für den Mittelstand damit nicht zu teuer?Liz Mohn: Eine Studie des Prognos-Instituts hat ergeben, dass sich diese Investitionen in die Familie für die Unternehmen auch ökonomisch auszahlen. Langfristig ist eine Rendite von bis zu 25 Prozent möglich. Insofern ist der Titel des von Renate Schmidt und mir herausgegebenen Buches programmatisch: »Familie bringt Gewinn«.

Und wie bildet sich diese Rendite?Liz Mohn: Indem die Beschäftigten motivierter an die Arbeit gehen. Die Fehl- und auch Krankheitszeiten gehen bei flexiblen Arbeitszeitmodellen zurück. Die Produktivität nimmt zu. Das sollten auch Handwerker sowie kleine und mittlere Unternehmer nutzen. Wir von der Bertelsmann-Stiftung helfen gern mit Ratschlägen, unter anderem auch im Internet.
www.mittelstand-und-familie.de

Artikel vom 11.06.2005