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Ebbe nach der Spenden-Flut

Zuwendungen an Vereine und kleine Hilfsorganisationen bleiben aus

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Nach der Tsunami-Spendenflut setzt jetzt die Spendenflaute ein: Bei Altentreffs, Sorgentelefonen und Sportclubs bleiben die milden Gaben aus.

»Völlig eingebrochen« seien die Einzelspenden von Privatpersonen und Unternehmen, sagte Thomas Bouza Behm (43) vom Kinderschutzbund Minden dieser Zeitung. Ohne die langfristigen Zusagen von wenigen Großspendern aus der Wirtschaft wären das Kindertelefon sowie Angebote für Eltern und Jugendliche womöglich schon abgeschaltet, berichtet Behm.
Auch Günter Göpfert, Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes im Kreis Gütersloh, stellt fest, dass das Einwerben von Spenden »grundsätzlich schwerer« geworden ist. Dabei will niemand die Hilfe für die Opfer der Flut vom 26. Dezember in Frage stellen.
Denn die Deutschen haben ihr Spendensoll bereits erfüllt: Im Januar und Februar gaben die Bundesbürger schon soviel, wie sie sonst im ganzen Jahr für gute Zwecke zur Verfügung stellen. Allein die »Ärzte ohne Grenzen« erhielten innerhalb der ersten Januarwoche 20 Millionen Euro an privaten Spenden. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2003 waren es 17,5 Millionen. »Wir sind um eine solide Finanzplanung besorgt«, sagte Sprecherin Christiane Löll. Denn es gebe über die Katastrophengebiete in Südostasien hinaus auch andere Orte, an denen das Geld dringend benötigt werde.
Nach Angaben des Zentralinstituts für soziale Fragen waren bis Ende Februar 516 Millionen Euro an Spendengeldern bei deutschen Hilfsorganisationen eingegangen. Zweitgrößter Empfänger war in Deutschland das Deutsche Rote Kreuz mit einem Spendeneingang von 107 Millionen Euro.
Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in Bad Lippspringe sammelte in kürzester Zeit 20 000 Euro zugunsten der Tsunami-Opfer bei den Bürgern der Stadt. »Das war ein tolle Leistung«, sagt der dortige DRK-Vorsitzende Dr. Peter Brackmann. Jetzt aber fehlen in Bad Lippspringe 10 000 Euro für den Altentreff - Geld, das in den Vorjahren relativ verlässlich über Spenden hereinkam. »Wir wissen nicht wie, aber wir müssen unsere Altentagesstätte um jeden Preis erhalten«, schildert Brackmann die Finanzlage des Altentreffs.
Immerhin: Größere Organisationen wie die Arbeiterwohlfahrt in Bielefeld und der Diözesan-Caritas-Verband Paderborn berichten von normalen Spendeneingängen.
Ungewissheit über das Spendenaufkommen herrscht beim Bezirksverband der Deutschen Kriegsgräberfürsorge. Die Anfang des Jahres übliche Haussammlung ist vorsorglich verschoben worden. Jetzt werden Ende Juni in Bielefeld, Gütersloh und Lippe erstmals wieder Soldaten mit der Sammelbüchse von Haus zu Haus ziehen. Im übrigen Ostwestfalen findet die Kriegsgräber-Sammlung erst im November statt.
OWL-Geschäftsführer Ulrich Appelt: »Wir hoffen alle, dass sich die große und sonst so verlässliche Spendenbereitschaft der Bürger in der zweiten Jahreshälfte wieder einstellt.«
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Artikel vom 13.06.2005