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Kein Handicap bei Minigolf
Freizeitspaß und Sport - Ex-Europameister Harry Rothe im Gespräch
Und welches Handicap haben Sie? Golf ist sportlich und gesellschaftlich anerkannt. Golf ist »hip« und »in«. Aber Minigolf? Wer Minigolf nur mit dem »großen« Golf vergleicht, tut sowohl dem Hobby als auch dem Sport unrecht.
Was viele nicht wissen, die nur ein oder zwei Mal jährlich eine der 3000 Anlagen in Deutschland aufsuchen: Minigolf ist eine ausgefuchste Sportart, für die in der Bundesrepublik 11 000 Aktive regelmäßig und hart trainieren. Ein Pionier, und zwar einer der erfolgreichsten, ist Harry Rothe. Er ist heute Rentner und lebt in Herford. Von dort vertreibt er weiter nebenbei mit seiner Firma Bago Schläger, Bälle, Taschen sowie andere Minigolf-Artikel und baut komplette Minigolf-Anlagen.
Entscheidend für den Erfolg ist neben dem Training, so Rothe, die Auswahl des richtigen Balls. 800 stehen zur Auswahl. Hergestellt in Deutschland, Österreich, Tschechien und den Niederlanden, unterscheiden sie sich in Zusammensetzung, Farbgebung, Härtegrad und Sprungvermögen. Festgelegt sind der Durchmesser (mindestens 37, höchstens 43 Zentimeter) und die maximale Sprunghöhe: »Bei 20 Grad Außentemperatur darf der Ball aus einem Meter Fallhöhe nicht höher als 85 Zentimeter zurückspringen.«
Im Gegensatz zu den Bällen (Preis zwischen fünf und 14 Euro) kommen die Schläger (22 bis 116 Euro) heute aus Fernost (China, Taiwan). Die Schlagflächen, die bei Hobby-Minigolfern nur aus Messing bestehen, tragen bei Sportlern eine Gummiauflage. Gummi federt nach, der Ball rutscht nicht so einfach ab. Das ist der große Vorteil.
Harry Rothe arbeitete als Handelsvertreter zunächst für die Textilbranche (Elsbach in Herford, Diekmann in Enger) und später für das Industrie-Nachlagewerk »Wer liefert was?« Dazu gesellte sich seit Mitte der 60er Jahre der Vertrieb von Minigolf-Artikeln. Damals war Rothe, der durch den Tipp eines Schulfreundes zum Minigolf gekommen war, bereits ein erfolgreicher Sportler. Zwischen 1961 und 1989 wurde der Herforder je sieben Mal Europa- und Vize-Europameister und mindestens genauso oft Deutscher Meister. Bad Salzuflen, Herford und Bielefeld-Sennestadt waren lange Zeit Hochburgen dieser Sportart.
1965 - bis dahin spielte man mit Golfbällen - tauchten die ersten glatt geschliffenen Minigolf-Bälle auf. Siegfried Meth und Johann Beck, zwei Spieler aus Ingolstadt, hatten den »Holländer« und den »Wohlstandsball« (wegen des hohen Preises von zehn Euro) von einem örtlichen Chemiewerk pressen lassen und zu Hause in Handarbeit nachbehandelt. Die Idee fand Nachahmer. Die Konkurrenz kam ausgerechnet aus dem gleichen Ingolstädter Verein: Nationalspieler Norbert Wagner brachte 1967 zur Deutschen Meisterschaft in Bernau einen Kofferraum voller neuer Bälle mit und verkaufte sie. Mit Minigolf-Artikeln konnte man offenbar Geschäfte machen. Rothe selbst ließ sich von Meth & Beck anwerben. Bald war er so erfolgreich, dass ihm die Vertretung für ganz Norddeutschland sowie die Niederlande und Skandinavien angetragen wurde. Heute betreibt er die Arbeit als Hobby. Der Großhändler liefert weltweit bis nach Japan, USA und sogar Südafrika aus. Auch die russische Nationalmannschaft gehört zu seinen Kunden. Der größte Konkurrent wohnt in Süddeutschland.
Vor seiner Minigolf-Karriere fuhr Rothe Kajak, spielte Handball, nahm an Langläufen teil, war erfolgreich im Schach: »Nirgendwo war der richtige Teamgeist so wichtig wie beim Minigolf.« Stimmt die Harmonie in der Mannschaft, fördert das die Ruhe und Selbstbeherrschung, die ein Minigolfer braucht, um erfolgreich zu sein.
Obwohl sich Minigolf international weiter ausbreitet und seit einigen Jahren sogar Weltmeisterschaften ausgetragen werden, stagniert die Zahl der Vereinsmitglieder in Deutschland. Zudem steigt der Altersdurchschnitt. Vermutlich hängt dies mit der allgemeinen Abneigung Jugendlicher zusammen, sich fest an einen Club zu binden. Auf den Minigolf-Plätzen ist an schönen Wochenendtagen von Überalterung jedenfalls nichts zu sehen. Bernhard Hertlein
www.minigolfsport.de
www.minigolfrothe.de

Artikel vom 18.06.2005