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Es hilft, darüber zu reden


Alkoholprobleme - Experten der BZgA beantworteten Ihre Fragen


Rund um das Thema Alkohol ging es bei unserer aktuellen Telefonaktion. Vor allem besorgte Eltern, Ehepartner und Freunde nutzten die Informationsmöglichkeit. Fachliche Ratschläge gaben die Suchtexperten Birgit Buchmüller und Thomas Weßling am Info-Telefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Die wichtigsten Fragen und Antworten haben wir zusammengefasst:

Der Mann meiner Schwester trinkt regelmäßig. Wir machen uns große Sorgen. Was können wir unternehmen?
Weder Sie noch Ihre Schwester sollten sein Trinkverhalten schweigend hinnehmen. Im Gespräch können Sie ihm sagen, dass sich die Familie Sorgen macht. Für so ein Gespräch gibt es kein Patentrezept, aber das »Darüber-Reden« bringt Öffentlichkeit und kann ihm zeigen: »Die anderen wissen, was mit mir los ist. Sie möchten mir helfen.« Außerdem können Sie und Ihre Schwester eine Beratungsstelle aufsuchen, um sich selber für die Gespräche zu wappnen.
Während seiner Geburtstagsfeier hat mein Vater unseren Kindern - sie sind elf und zwölf Jahre alt - Eierlikör zu trinken gegeben. Als ich dagegen protestierte, sagte er, ich sei da zu pingelig. Was meinen Sie?
Sie haben vollkommen richtig gehandelt. Kinder sollte man ohne Ausnahme vom Alkohol fern halten. Nicht nur wegen der gesundheitlichen Schäden, die Alkohol bei Kindern auslösen kann, sondern auch, um bei Kindern nicht das Bewusstsein zu erzeugen, dass Alkohol automatisch zu Festen dazu gehört. Außerdem gibt es genug alkoholfreie Getränke, die Kindern schmecken.
Was ist so schlimm daran, wenn junge Leute hin und wieder mal einen trinken?
Alkohol ist ein Zellgift, das die Entwicklung der jugendlichen Gehirnzellen spürbar schädigen kann. Nach häufigen Rauschzuständen lassen Gedächtnis und Konzentration nach. Heranwachsende produzieren noch nicht genug von dem Enzym, das den Alkoholabbau steuert. Sie bekommen schneller eine Alkoholvergiftung als Erwachsene.
Wenn sich bei jungen Leuten die Vorstellung festsetzt, dass bestimmte Situationen mit Alkohol besser zu bewältigen sind, wäre der erste Schritt zu riskantem Alkoholkonsum getan.
Wenn unser Sohn (19) nachts aus der Disco kommt, riecht er oft stark nach Alkohol. Auf Vorhaltungen reagiert er aggressiv. Soll ich das Trinken um des lieben Friedens willen tolerieren?
Nein, aber die Vorwürfe mitten in der Nacht sind sinnlos. Suchen Sie sich lieber am nächsten Tag eine Gelegenheit, bei der Sie ganz in Ruhe mit ihm darüber sprechen, warum er Alkohol trinkt und welche Erfahrungen er damit hat. Sagen Sie ihm, wie schädlich Alkohol gerade in jungen Jahren sein kann. Lassen Sie kritische Fragen zum eigenen Alkoholkonsum zu. Denn, ob Sie wollen oder nicht: Sie sind für Ihren Sohn ein Vorbild.
Meine Tochter trinkt zu viel. Sie hat das auch selbst schon erkannt. Aber sie will nicht zu einer Beratung. Was kann ich tun?
Bleiben Sie mit ihr im Gespräch. Versuchen Sie mit viel Einfühlungsvermögen herauszufinden, warum sie trinkt. Vielleicht schaffen Sie es, ihr zu erklären, dass Alkoholabhängigkeit eine Krankheit ist. Mit anderen Krankheiten würde sie ja auch zu einem Spezialisten, also zum Arzt, gehen. Alkoholabhängige brauchen eine kompetente Beratung, um da heraus zu kommen.
Wo finde ich bei Alkoholabhängigkeit Beratung vor Ort?
Die wichtigsten Organisationen, die sich mit dem Problem Alkohol befassen, sind das Blaue Kreuz, die Anonymen Alkoholiker, der Guttempler Orden und der Kreuzbund. Für Angehörige und Freunde von Alkoholikern bietet Al-Anon Beratung. Am schnellsten finden Sie die jeweiligen Ansprechpartner per Internet.
Wie viel Alkohol können Erwachsene pro Tag trinken, ohne sich zu schaden?
Die Empfindlichkeit der Menschen gegenüber dem Alkohol ist unterschiedlich. Für gesunde Erwachsene mittleren Alters lassen sich aber Grenzen nennen, in denen das Risiko gesundheitlicher Schäden gering ist. Das sind 20 Gramm reiner Alkohol pro Tag für Frauen und 30 Gramm reiner Alkohol für Männer. Als Faustregel gilt: In jedem Alkoholgetränk sind pro Glas etwa zehn Gramm reiner Alkohol enthalten. So passt in ein Bierglas etwa ein Viertel Liter, in ein Weinglas ein Achtel und in einem Schnapsglas haben vier Zehntel Platz. Bedenken Sie bitte, dass die Wirkung von Alkohol je nach Alter, nach Operationen und Tabletteneinnahme variiert.
Ich trinke fast jeden Tag in der Woche drei bis vier Gläser Bier. Ist das schon problematisch für meine Gesundheit?
Diese Frage können Sie sich selbst beantworten: Multiplizieren Sie die Anzahl der Wochentage, an denen Sie üblicherweise Alkohol trinken, mit der Anzahl der Gläser pro Tag. Dann teilen sie das Ergebnis durch die sieben Wochentage. Liegt bei Frauen die durchschnittliche Trinkmenge bei mehr als zwei Gläsern pro Tag oder bei Männern bei mehr als drei Gläsern, dann ist das Risiko für gesundheitliche Störungen erhöht.
Mir helfen ein paar Bier am Abend, um besser einzuschlafen. Welche Nachteile hat das?
Mitunter hilft Alkohol, schneller einzuschlafen. Doch die Nachteile überwiegen. Am Morgen danach ist man meistens nicht richtig ausgeruht, weil der Schlaf nicht tief und erholsam war. Hinzu kommt: Alkoholmissbrauch kann nicht nur den Schlaf beeinträchtigen. Er schränkt auch die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit ein, kann Nervosität, depressive Verstimmungen, Magenprobleme, Störungen des Mineral- und Hormonhaushalts und eine erhöhte Infektanfälligkeit verursachen.
Mein Mann hatte über viele Jahre unheimlich Stress im Beruf. Abends hat er immer etwas getrunken. Jetzt ist er arbeitslos, und das Trinken ist noch schlimmer geworden. Er ist sich dessen bewusst, aber er kann nicht aufhören. Wir führen eigentlich eine gute Ehe. Kann ich ihm irgendwie helfen?
Sie können ihn motivieren, doch die Hauptarbeit muss er allein leisten. Das wird am besten mit einer professionellen Beratung möglich sein. Sagen Sie ihm, dass Sie Angst um ihn haben. Sprechen Sie ganz bewusst in der Ich-Form.
Reden Sie über Ihre Gefühle. Vielleicht gibt das den Ausschlag, dass Ihr Mann eine Selbsthilfegruppe aufsucht oder eine Beratungsstelle für Alkoholabhängige.

Artikel vom 17.06.2005