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Mädchen droht
Zwangsheirat

Vater hält Kinder in Algerien fest

Von Christian Althoff
Herford (WB). Drei deutsch-algerische Kinder aus Herford, die 1999 von ihrem Vater verschleppt worden waren, sind in Algerien aufgespürt worden. »Wir wissen wo sie sind und haben inzwischen ein Urteil gegen den Vater erwirkt. Aber ob die Kleinen jemals nach Deutschland zurückkehren können, ist ungewiss«, sagte am Freitag die Großmutter Ulrike K.

Im August 1999 war die fünfköpfige Familie von Herford aus zu einem Urlaub ins Heimatland des Vaters gereist. Dort soll der Algerier seine deutsche Ehefrau in Ketten gelegt und sie später als psychisches Wrack in ein Flugzeug nach Deutschland gesetzt haben. »Sie kam hier mit einem Nervenzusammenbruch an«, erinnert sich Ulrike K.
Ihre drei Kinder Rabah (damals 2, heute 7 Jahre alt), Saadia (damals 3, jetzt 8 Jahre alt), und Jemina (damals 5, heute 10 Jahre alt) hat die Mutter seitdem nicht wieder gesehen. Der Verlust ihres Sohnes und ihrer Töchter hat die Herforderin so sehr getroffen, dass sie auch heute noch nicht darüber sprechen kann. »Es würde sie zu sehr mitnehmen«, sagt ihre Mutter Ulrike K. und erzählt, wie schwierig es war, den Vater und die Kinder aufzuspüren: »Ein Privatdetektiv wollte 100 000 Euro haben - das schied natürlich aus.« Deshalb sei sie mit ihrem Mann nach Algerien gereist und habe sich selbst auf die Suche gemacht: »Die deutsche Botschaft hatte uns mit einem Algerier bekannt gemacht, der Land und Leute kennt.« Doch alle Spuren seien im Sand verlaufen. »Schließlich haben wir den Anwalt Farouk Ksentini engagiert, den Leiter der algerischen Menschenrechtskommission.« Der habe eine Klage gegen den untergetauchten Vater eingereicht, und das Gericht habe tatsächlich die Adresse des Algeriers ermittelt.
»Wir hätten das nie für möglich gehalten, aber das Gericht in Algier hat unserer Tochter tatsächlich das Sorgerecht zugesprochen«, sagt Ulrike K. Doch dann sei das Urteil geändert worden: »Weil der Kindesvater sich auf die Scharia berief und den Richtern zu bedenken gab, dass die Kleinen in Deutschland von der Mutter nicht nach dem Islam erzogen würden.« Die Richter hätten der Herforderin zum Schluss zwar ein Besuchsrecht zugebilligt und ihr erlaubt die Kinder jeden Sommer sechs Wochen zu sich zu nehmen, doch habe der Vater bis heute keine Verabredung eingehalten: »Und wir können es uns nicht leisten, immer wieder nach Algerien zu fliegen«, sagt die Großmutter.
Die verzweifelten Bemühungen der Familie, die Kinder nach Deutschland zurückzuholen - sie sind in dem nordafrikanischen Land nicht unbemerkt geblieben. »Eine Frau aus dem Umfeld des Vaters hat Kontakt zu uns aufgenommen«, berichtet Ulrike K. »Sie hat uns erzählt, dass er die drei Kinder alleine erzieht und die beiden Mädchen bereits ihren Cousins als Ehefrauen versprochen hat. Jemina und Saadia sollen verheiratet werden, sobald sie 14 Jahre alt sind.«
Doch es waren nicht nur schlechte Nachrichten, die die Familie in Deutschland erreicht haben: »Unsere Kontaktfrau hat uns Fotos unserer drei Enkel geschickt«, erzählt Ulrike K., und sie klingt erleichtert: »Sie sind gut genährt und machen einen gesunden Eindruck. Das macht uns die Trennung ein ganz kleines bisschen leichter.«

Artikel vom 11.06.2005