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Resolute Frau erteilt
eine deftige Lektion

Premiere der Open-Air-Inszenierung »Die Wirtin«

Von Manfred Stienecke
Paderborn (WB). Mit der pudrig-deftigen Komödie »Die Wirtin« gehen die Westfälischen Kammerspiele Paderborn in die Sommerpause. Noch bis zum 10. Juli steht das Stück von Peter Turrini als Open-Air-Inszenierung im Innenhof des Schlosses Neuhaus auf dem Spielplan.

Der italienische Komödienschreiber Carlo Goldoni stand unverkennbar Pate bei der vor drei Jahrzehnten entstandenen Fassung des Liebeswerbens um die hübsche und selbstbewusste Hotelchefin »Mirandolina«. Seine gleichnamige barocke Charakterkomödie diente dem österreichischen Dramatiker Peter Turrini als Vorbild für sein Lustspiel »Die Wirtin«, das im Innenhof Renaissance-Wasserschlosses das Premierenpublikum zeitweise über die Schafskälte eines Juniabends hinwegzutrösten vermochte.
Der vor allem mit seinen sozialkritischen Volksstücken bekannt gewordene österreichische Autor verschiebt in seiner Goldoni-Version zunächst geschickt die Akzente. Die resolute Wirtin (Kerstin Westphal agiert frech und zupackend) weiß sich nicht nur durch charmante Bauernschläue der Avancen zweier aus unterschiedlichen Motiven werbender adliger Schürzenjäger zu erwehren. Sie erweist sich als hartgesottene Emanze, die die Männer am liebsten »am Boden liegen« hat. Am ärgsten freilich springt sie mit einfältigen »Cavaliere von Rippafratta« um.
Während »Mirandolina« bei Goldoni den drei affektierten Laffen freilich vor allem deshalb eine Lektion erteilt, weil sie sich längst für ihren Kellner Fabrizio als Lebenspartner entschieden hat, wird bei Turrini eben jener ausgebuffte Kleinganove zum eigentlichen Intrigant: Er, der bei der Wirtin nicht »landen« kann, forciert die Verwicklungen, streut Gerüchte und wird letztlich durch die Zuneigung seiner Chefin belohnt - logisch ist das nicht, und konterkariert zudem den ursprünglich emanzipatorischen Ansatz der Geschichte.
Gastregisseurin Barbara Neureiter belässt die Komödie im barock-pomadigen Pluder-Outfit, wobei Kostümdesign (Dorit Lievenbrück) und Maske (Conny Düker) kräftig überzeichnen dürfen. Die bisweilen deftige, in die heutige Zeit transponierte Sprache wirkt da merkwürdig irritierend. Das Bühnenbild beschränkt sich auf eine der höfischen Umgebung entlehnte Türen-Kulisse, die an einen Hotelflur denken lässt.
In den überzeichneten Charakteren bewähren sich neben der Titelfigur Frerk Brockmeyer als »Cavaliere«, Wolfgang M. Reicher als »Graf von Forlinpopol«, Christian Onciu als »Marchese von Albafiorita« sowie Sven Reese als Kellner »Fabrizio«. Überaus herzlicher Schlussapplaus.

Artikel vom 13.06.2005