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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Dr.Dr. Markus Jacobs


Fragen Sie sich manchmal, warum das Glaubensklima in unserer Zeit so unsicher geworden ist? Erleben Sie es selbst als schwer, sich zu orientieren?
Schon die persönlichen Erfahrungen der letzten drei Tage reichen für mich aus, sehr viel Verständnis dafür aufzubringen.
Hunderte meist junger Katholiken empfangen im Augenblick in Bielefeld das Sakrament der Firmung. »Firmus« bedeutet »fest« und hat damit den gleichen Wortstamm wie das Wort »Konfirmation« in der evangelischen Kirche. Gefestigt sollen diese jungen Leute in ihrem Glauben und ihren Werten bereits sein, wenn sie vor den Bischof treten. Eine zusätzliche Festigung dieses Glaubens und ihrer religiösen Lebensentscheidung erbittet dann die Gemeinde bei der Firmung vom Heiligen Geist.
Woher aber sollen diese jungen Leute und ebenso die erwachsenen Firmbewerber eigentlich ihre Festigkeit haben? Festigkeit in Sachen Glauben ist nämlich offensichtlich eher die Ausnahme.
Beispiele aus den letzten Tagen: Ich besuche eine ältere Dame. Die Tochter öffnet mir die Tür und verkündet mir voller Elan, dass sie froh ist, mal wieder einen Pfarrer zu sehen. Sie selber aber sei aus der Kirche ausgetreten. Sie glaube nicht an einen Gott mit weißem Bart und blauen Augen, an den die meisten Menschen glaubten. Sie glaube statt dessen an die Natur.
Was die Frau mir da erzählte, hätte mir ja egal sein können; ich fragte aber trotzdem nach, wer ihr denn gesagt habe, dass Gott einen weißen Bart und blaue Augen habe. Antwort war nur: so oder so ähnlich glauben doch fast alle Menschen. Als ich ihr antwortete, dass ich auf jeden Fall nicht an einen solchen Gott glaube, war ihr das wiederum eher egal, ein ernsthaftes Gespräch über das Gottesbild jedenfalls wurde von ihr bereits im Keim erstickt.
Statt dessen erklärte sie mir, sie glaube an das Fressen und Gefressen Werden. Die Natur werde am Schluss ohnehin gewinnen. Die Menschen könnten auch die Natur nicht kaputt machen, sondern irgendwann seien wir Menschen mal wieder alle verschwunden. Und Wiedergeburt geschehe allerhöchstens dadurch, dass aus dem verfallenen Leib des Menschen vielleicht ein neuer Pflanzenkeim seine Kraft bezöge.
Am selben Tag noch begegnet mir ein Mann, der mir ebenso ungefragt erklärt, er glaube weder an den Gott der Christen, noch den Gott der Muslime oder Juden. Er würde gerne Schamanismus betreiben, also durch Riten und Kräuter die helfenden Geister anrufen. Das sei für ihn eine Art Ursprungsreligion. Leider finde er niemanden, der ihn darin anlerne. Und so suche er immer noch.
Fragen Sie sich jetzt noch, warum es junge Firmbewerber schwer haben, Festigkeit im Glauben zu gewinnen?
Menschen wie die genannten sind doch ihre Kollegen und Zeitgenossen. Und unter diesen Zeitgenossen ist das Glaubensbild so bunt wie nie zuvor. Dass diese beiden Gesprächspartner beide eine gewisse Sorge hatten, mich überhaupt zu Wort kommen zu lassen, kann ich übrigens verstehen. Denn sie spürten, wie wackelig und wie angreifbar ihr jeweils verschiedenes Gedankengebäude ist. Ein Gespräch im ernsthaften Sinne kam deshalb erst gar nicht zustande. Ich sollte nur ihre Positionen zur Kenntnis nehmen.
Jeder junge oder erwachsene Mensch auf der ernsthaften Suche nach Gott verdient Stützung. Es ist so schwer, im heutigen Lebensgefühl wirkliche Festigkeit im Glauben und in den Werten zu gewinnen. Den Firmbewerbern und den genannten beiden Erwachsenen ist bei allem Unterschied eines gemeinsam: Ihr tieferer Lebenssinn ist ihnen nicht gleichgültig, alle sind sie auf der Suche. Wir brauchen den Geist der Wahrheit Gottes so nötig wie nie. Stützen wir einander!

Artikel vom 11.06.2005