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Köhler pocht auf Unabhängigkeit

Bundespräsident behält sich eigene Entscheidung über Neuwahlen vor


Berlin (Reuters). Bundespräsident Horst Köhler pocht darauf, in eigener Kompetenz über die geplanten Neuwahlen im Herbst entscheiden zu können. Falls Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ihn um eine Auflösung des Bundestages bitte, müsse er zu einer eigenen Bewertung kommen, sagte das Staatsoberhaupt dem Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«. Er habe dabei auch die Lagebeurteilung des Kanzlers zu beachten.
Als Maßstab für seine Entscheidung lege er den sachgemäßen Umgang mit der Verfassung an, auf den die Menschen vertrauen können müssten. »Alle Verfassungsorgane müssen an ihr Tun auch den Maßstab der Nachvollziehbarkeit gegenüber dem Bürger anlegen«, unterstrich Köhler. Er forderte die Parteien zudem nachdrücklich auf, den Menschen die Wahrheit über die notwendigen sozialen Reformen zu sagen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte am Donnerstag angekündigt, am 1. Juli die Vertrauensfrage stellen zu wollen und sie dabei nicht an eine Sachfrage zu knüpfen. Mehrere Mitglieder seines Kabinetts hatten angedeutet, mit ihren Stimmen die zur Auflösung des Bundestages notwendige Abstimmungsniederlage des Kanzlers herbei führen zu wollen. Dieser Weg ist unter Verfassungsrechtlern heftig umstritten. Köhler sagte, Schröder entscheide über den Weg, den er für richtig halte. Sein Prüfungsauftrag beginne erst, wenn der Bundeskanzler ihm nach einer verlorenen Vertrauensabstimmung die Auflösung des Bundestages vorschlage.
Er bereite sich schon auf diese Prüfung vor. »Am Ende werde ich nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden, wie es die Verfassung und der Amtseid gebieten.«
Köhler ging nicht direkt auf die heftigen Attacken ein, die führende SPD-Politiker in der vergangenen Woche gegen ihn gerichtet hatten. Er sagte lediglich, er sei sich mit dem Bundeskanzler einig, dass alle Verfassungsorgane die Verpflichtung haben, gut zusammen zu arbeiten.

Artikel vom 13.06.2005