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Aus der Subkultur
in die Theaterwelt

»Preis der Wirtschaft« an Nuran Calis

Bielefeld (WB/mzh). Der aus Baumheide stammende Nuran David Calis ist als Nachwuchsdramatiker geehrt worden. Der »Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI« wird den mit 7500 Euro dotierten am 8. Oktober in Rostock an den 28-jährigen Regisseur, Theater- und Drehbuchautor übergeben und ihm den Auftrag erteilen, ein Stück zu schreiben.

Calis' Themen sind die Heimat und die Fährnisse auf dem Weg ins Erwachsenenleben, die er in einer noch im Entstehen begriffenen Trilogie verarbeitet. Teil 1 (»Dog eat Dog - Raus aus Baumheide«) erzählt von den Jugendlichen in einer Plattenbausiedlung im Bielefelder Nordosten; der zweite Teil (»Dogland«), der von Ereignissen berichtet, die zehn Jahre später passieren, wird am 17. September im Bielefelder Theater uraufgeführt. Hier steht Memo im Mittelpunkt, einer der Jugendlichen, der den Traum von der Flucht aus Baumheide wahrgemacht hat und nun zur Projektionsfläche starker Emotionen wird. Am dritten Teil arbeitet Calis noch.
Der von Dr. Horst Annecke, einem ehemaligen Bankier aus dem Bielefeld, geleitete BDI-Kulturkreis würdigt mit Nuran Calis eine »wichtige neue Stimme des deutschen Theaters«. Die Jury entschied sich einstimmig für den »unbequemen und kantigen« Künstler. Nach Angaben Anneckes verband sie damit die Hoffnung, die Zusammenarbeit mit dem Hamburger Thalia-Theater (das Calis' neues Stück fördern und aufführen soll) werde »die unter die Haut gehende Ausdruckskraft und ungebärdige Sprachwut des Autors etwas - aber bitte nicht zu stark - domestizieren.«
»Immer wieder musste ich mich zwischen Legalität und Kriminalität entscheiden«, sagte Nuran Calis unlängst dem WESTFALEN-BLATT. Der Preisträger mit armenisch-jüdischen Wurzeln besuchte die Gesamtschule Schildesche (Abi-Durchschnitt: 1,3), arbeitete als Türsteher vor einer Disco und fand über eine Freundin zum Theater. »Kabale und Liebe« - das habe ihn »total geflasht«.
Nach der Veröffentlichung erster Texte über HipHop-Musik ließ sich sich Calis in seiner Wahlheimat München im Regiefach ausbilden, assistierte an den Kammerspielen und in Zürich und inszenierte in München und Hannover. Außerdem produziert er Videoclips für HipHop-Bands. Derzeit bereitet er einen abendfüllenden Kinofilm vor.

Artikel vom 10.06.2005