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Firmen zerlegen und Profit machen

Werner Rügemer: US-Finanzinvestoren ködern Manager für Stellenabbau

Von Dietmar Kemper
Paderborn (WB). In den USA werden die Finanzinvestoren abschätzig »Raider«, also Plünderer genannt - SPD-Chef Franz Müntefering titulierte sie als »Heuschrecken«.

KKR, Lone Star, Apax oder Cinven interessieren sich nicht für Tradition und Unternehmenswerte, sondern streben möglichst viel Profit in kürzester Zeit an. »Die einzelnen Instrumente, wie Entlassungen und Mehrarbeit bei gleichem oder weniger Lohn, sind nicht ungewöhnlich, aber was den neuen Investorentyp aus den USA auszeichnet, ist der kurze Verwertungszyklus«, sagte Dr. Werner Rügemer bei einem Vortrag in Paderborn. Rügemer ist Lehrbeauftragte im Fachbereich Politikwissenschaft der Universität Köln, Mitglied der Korruptionswächter von »Transparency International« und im Vorstand der 1991 gegründeten Organisation »Business Crime Control«. Deren Ziel ist es, Wirtschaftsverbrechen aufzuspüren und bekannt zu machen.
Wenn KKR in eine Firma einsteige, dauere es bis zum Ausstieg erfahrungsgemäß nur fünf Jahre, berichtete Rügemer: »Beim Kauf ist der Verkauf, der Exit genannt wird, bereits eingeplant.« Die Finanzinvestoren einige das Ziel, durch die »Kunst des Verkaufens« Renditen von 20 Prozent und mehr herauszuholen. Entweder werde das übernommene Unternehmen an einen Konkurrenten veräußert oder nach dem harmlos »Restrukturierung« genannten Umbau an die Börse gebracht. Rügemer räumte mit einem Vorurteil auf: »Diese Finanzinvestoren kaufen nur die Branchenführer auf, nicht Sorgenkinder, die sie aufwändig sanieren müssten.« Herausgepickt würden Firmen mit einem Wert ab 100 Millionen Euro, die nicht auf dem Parkett gehandelt werden und damit nicht der Börsenaufsicht unterliegen. Um die Führungsmannschaft für soziale Grausamkeiten zu erweichen, setzten Finanzinvestoren wie Blackstone und Co. auf die »Einbindung des Top-Managements«, erläuterte Rügemer: »Geschäftsführer und Bereichsleiter werden zu Kapitaleignern gemacht. Damit sie zum Beispiel sieben Prozent der Gesellschaftsanteile erwerben können, erhalten sie vom Finanzinvestor günstige Kredite.« Bei Tenovis, der früheren Telenorma, seien so 70 Führungskräfte zu »Mitmachern« geworden. Um Kosten niedrig zu halten, verkaufen die knallharten Sanierer Gebäude, Grundstücke und Patente weiter, um sie anschließend günstig zurück zu mieten.
Die Steuerreform 2000, durch die Erlöse aus dem Verkauf von Firmenbeteiligungen steuerfrei gestellt wurden, habe Deutschland zum beliebten Tummelplatz des neuen Investorentyps gemacht, sagte Rügemer. Zu den von ihnen aufgekauften deutschen Firmen gehörten MTU, Dynamit Nobel, Siemens Nixdorf, Rodenstock, ATU, Debitel, Tank & Rast sowie das Duale System (DSD).

Artikel vom 10.06.2005