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»Diskussionen um Köhler müssen sofort aufhören«

Heute im Gespräch: Ute Berg, SPD-Vorstandsmitglied

Berlin (WB). Politiker nennen für sie schwierige Zeiten »nicht vergnügungssteuerpflichtig«. Paderborns SPD-Bundestagsabgeordnete Ute Berg stellte sich dennoch den Fragen von Reinhard BrockmannUte Berg, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Paderborn.

Sie sind Mitglied im Parteivorstand und gehören der immer noch stärksten Fraktion im Bundestag an. Können Sie unseren Lesern erklären, was in der SPD los ist?Berg: Leider gibt es in den Spitzen aller Parteien Personen, die gern im Licht der Öffentlichkeit ihre eigene Position darstellen. Ich gehe davon aus, dass wieder Geschlossenheit einkehrt, wenn der Bundespräsident den Weg für Neuwahlen freigegeben hat.

Sehen Sie einen Anlass zur Kritik am Bundespräsidenten? Berg: Ich selbst war in die Gespräche zwischen dem Bundeskanzler und dem Bundespräsidenten nicht involviert. Schon deshalb habe ich natürlich keine Veranlassung Kritik zu üben. Losgelöst davon halte ich aber überhaupt nichts von öffentlichen Debatten über die Amtsführung des Präsidenten. Ich hoffe sehr, dass diese Diskussionen sofort aufhören.

Die massiven Querschüsse aus den eigenen Reihen reichen bis zur Rücktrittsforderung an Gerhard Schröder. Hat Müntefering die SPD noch im Griff?Berg: Franz Müntefering genießt großen Respekt in der SPD. Selbst der anerkannteste Parteivorsitzende kann es aber nicht verhindern, dass sich in schwierigen Zeiten auch führende Politiker aus den eigenen Reihen mit ihren höchst persönlichen Einschätzungen und Vorstellungen zu Wort melden. Erinnern Sie sich doch einmal an die noch gar nicht lange zurückliegende Krise der CDU, als sich Merz, Stoiber und Seehofer offen gegen Angela Merkel gestellt haben. Die Frau konnte einem ja schon fast leid tun!

Ohne Mitleid ist auch Frau Göring-Eckardt (Grüne). Sie sieht jetzt schon keine Chance mehr für gemeinsame Regierung. Ist Rot-Grün am Ende?Berg: Wir haben in Berlin noch zwei Sitzungswochen. Danach wird von allen Fraktionen im Deutschen Bundestag eine Neuwahl angestrebt. Wenn es dazu kommt, haben die Wählerinnen und Wähler das Wort.

SPD-Mitglieder an der Basis brauchen in diesen Tagen starke Nerven. Sind Sie froh, dass wenigstens Merkel und Stoiber mit ersten Kälte-Signalen die sozialdemokratische Seele wärmen?
Berg: Ich bin nie froh, wenn große Parteien Kälte-Signale aussenden, denn die Leidtragenden sind immer die Bürgerinnen und Bürger. Aber natürlich wird jetzt immer deutlicher, wie die Alternative zu dieser sozialdemokratisch geführten Bundesregierung aussieht: nämlich tiefe Einschnitte bei den abhängig Beschäftigten und den sozial Schwachen in unserer Gesellschaft.

Was können Schröder und Müntefering tun, um die NRW-SPD für den vierten Wahlkampf in kurzer Zeit zu motivieren?
Berg: Sie werden am 4. Juli ein Wahlmanifest vorlegen, das zukunftsorientiert ist und deutlich macht, wie wir die weitere Entwicklung unserer Wissensgesellschaft gestalten wollen. Es wird eine deutlich erkennbare sozialdemokratische Handschrift tragen: Bildung und Qualifizierung für Alle, Bürgerversicherung statt Kopfpauschale, Existenz sichernde Entlohnung, Ausstieg aus der Atomenergie, um nur einige Punkte zu nennen.

Artikel vom 10.06.2005