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Gewaltbereitschaft nimmt zu

Schily: Hemmschwelle bei Jugendlichen sinkt - Computer-Betrug steigt

Berlin (dpa). Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat sich besorgt über die weiter steigende Gewaltkriminalität geäußert. In der Gesellschaft sinke die Hemmschwelle. »Es gibt eine gewisse Tendenz zur Enttabuisierung von Gewalt bei Jugendlichen«, sagte Schily bei der Vorlage der Polizeilichen Kriminalstatistik gestern in Berlin.Innenminister Otto Schily (SPD) ist besorgt.
Im vergangenen Jahr wurden 211 172 Gewaltdelikte registriert, 3,5 Prozent mehr als im Jahr davor. 1993 waren es 160 680. Besorgt zeigte sich Schily auch über die wachsende Computerkriminalität. Diese trete vermehrt an die Stelle des klassischen Ladendiebstahls.
2004 gab es fast 67 000 Fälle, bei denen Computer als Tatmittel eingesetzt wurden. Das waren 12,2 Prozent mehr als im Vorjahr. 1993 waren es erst 13 898. Schily appellierte an alle Nutzer der modernen Technik, auf Sicherheit zu achten. »Leider muss man feststellen, dass es in diesem Bereich noch ziemlichen Leichtsinn gibt.«
Insgesamt erfasste die Polizei 6,63 Millionen Kriminalitätsfälle, geringfügig mehr als 2003. Die Aufklärungsquote stieg nochmals auf nunmehr 54,2 Prozent an und damit auf den höchsten Wert seit Erstellung dieser Statistik. »Die Kriminalstatistik bestätigt einmal mehr, dass Deutschland zu den sichersten Ländern in der Welt gehört«, sagte Schily.
Mit 96,1 Prozent verzeichneten die Ermittler bei Mord und Totschlag die höchste und eine nochmals gesteigerte Aufklärungsquote. 2004 erfasste die Statistik 2480 Fälle. Das waren 2,4 Prozent weniger als 2003 und 1750 Fälle weniger als 1993.
Schily und der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU), traten dafür ein, zur Steigerung der Aufklärungsquote die DNA-Analyse bei der erkennungsdienstlichen Behandlung einzusetzen. Seit Einführung der zentralen DNA-Analyse-Datei 1998 hat es laut Rech mehr als 28 000 Treffer gegen. Damit habe nahezu jede vierte DNA-Analyse zum Erfolg geführt.
Als positiv wertete Schily den Rückgang der Straßenkriminalität. Das sei für das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung besonders wichtig. Erreicht worden sei dies durch eine verstärkte Präsenz der Polizei, erfolgreiche Präventionsprogramme der Kommunen und die Kooperation zwischen Bund und Ländern.
Als einen Erfolg von Sicherheitsvorkehrungen wertete Schily die rückläufige Zahlen von Kfz-Diebstählen und Wohnungseinbrüchen. 2004 wurden 59 000 Autos gestohlen, 6,8 Prozent weniger als 2003 und 70 Prozent weniger als noch 1993.
Als eine der abscheulichsten Formen der Kriminalität bezeichnete Schily die Kinderpornografie. Bei den stark intensivierten Ermittlungen seien 4819 Fälle von Besitz (68 Prozent mehr) und 2422 Fälle von Verbreitung (plus 30 Prozent) registriert worden.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) verlangte angesichts der zunehmenden Computerkriminalität eine bessere Ausstattung der Polizei. Die Beamten müssten den Technik- und Zeitvorsprung krimineller Täter im Netz ausgleichen und mit der rasanten technischen Entwicklung Schritt halten können.
Der innen- und rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Wolfgang Zeitlmann, hielt Schily Schönfärberei vor, wenn er auf die gestiegene Aufklärungsquote verweise. Er ignoriere die tatsächliche Kriminalitätsentwicklung.

Artikel vom 10.06.2005