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Zaghaft Wurzeln schlagen
Im Osten Deutschlands werden Mondlandschaften zu Naturparadiesen
Von einer Mondlandschaft bis zu einem Naturparadies ist es ein weiter Weg. Hat Benjamin erfahren und gleich nachgefragt, wo das denn passiert ist. Die Antwort: Im Osten unseres Landes, dort wo es mal den Abbau von Braunkohle gab.
Den Abbau gibt es zwar immer noch, aber da sind einige Werke, die eben still gelegt wurden. Nun konnte man das ja nicht einfach so lassen. Also wurde die Landschaft umgebaut, einige Teile zumindest.
Aber es gibt auch noch Sanddünen und vom Regen ausgewaschene Rinnen und Schluchten. Im Sommer bis zu 50 Grad heiß, demzufolge flimmernde Hitze. Es gibt Staubfahnen, entsprechend trocken ist der Mund. Bei Regenwetter gibt es natürlich schlammige Wege, auf denen die Fahrzeuge manchmal stecken bleiben. Das alles können Touristen bei geführten Touren durch den früheren Braunkohletagebau Meuro im Süden Brandenburgs erleben. Eine der geführten Touren zwischen den Orten Großräschen und Senftenberg (schaut euch das doch mal auf einer Karte an) heißt deshalb auch augenzwinkernd »Reise zum Mars«, eine andere »Canyons, Steppe und Giganten aus Stahl«. Schon spannend. Ein Abstecher führt die Gäste in die Zeit der Dinosaurier und der Mammut-Bäume zurück. Auf dem Grund des künftigen Ilse-Sees ist die zwölf Meter hohe Schicht des zweiten Lausitzer Kohleflözes zu sehen. Deutlich sind darin die Umrisse von - längst verkohlten - Bäumen zu erkennen, die dort seit 15 Millionen Jahren liegen.
Viele der Kohlebagger haben ausgedient, denn so mancher Tagebau ist eingestellt worden. Die brach liegenden Flächen werden schon seit einiger Zeit umgebaut. Wahrscheinlich ist die ostdeutsche Braunkohlesanierung die größte Landschaftsbaustelle Europas. Etwa die Hälfte der Flächen wurde bereits verkauft. Etwa zu je einem Viertel sind daraus Wasserflächen, Felder, Wälder und Naturschutzgebiete entstanden.
Nach dem Abzug der Kohlebagger können sich Pflanzen ungestört vom Menschen ausbreiten. Ein tolles Beispiel für eine neue Nutzung ist das Naturparkzentrum Wanninchen, das von der Naturstiftung des bekannten Tierfilmers Heinz Sielmann ins Leben gerufen wurde. Nachdem die Stiftung das etwa 3000 Hektar große Gebiet gekauft hat, gibt es in Schlabendorf-Süd in der Niederlausitz die einzigartige Möglichkeit, eine Landschaft zu erleben, wie sie etwa zum Ende der Eiszeit vor 10 000 Jahren aussah. Am Steilufer des Tagebausees unweit von Luckau wurde extra für Fluss-Schwalben ein Betonbunker mit Nistplätzen gebaut. Bedrohte Pflanzenarten wie Magerrasen und die Sandstrohblume bilden zaghaft Wurzeln auf den Sandflächen. Und noch eine erfreuliche Nachricht aus dem Reich der Tiere: Vor einigen Jahren wurde dort der erste Goldschakal Deutschlands entdeckt. Dieses Tier hat Ähnlichkeiten mit dem Wolf, ist nicht grau, sondern mehr rötlich-gelb und hat große Ohren.
In den kommenden Jahren entsteht in der Lausitz und im Raum Leipzig die größte künstliche Seenlandschaft Deutschlands. Asphaltwege am Ufer für Inline-Skater und Fahrradfahrer, Badestrände, Segelclubs, Tauschschulen und Wassersport sollen Touristen anlocken.(bo)

Artikel vom 18.06.2005