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Das Gefühl von Rockstars

Bielefelder Band »Jaroslaw« als deutsche Kulturbotschafter in der Ukraine

Von Thomas Bertz
Bielefeld (WB). Bekannte deutsche Bands sind in der Ukraine selten, doch es gibt sie: »Rammstein«, »Modern Talking« und »Jaroslaw«. »Jaroslaw«? Ja, die Bielefelder Band hat durch einen Kurzbesuch in Odessa, wo die fünf Musiker als deutsche Kulturbotschafter weilten, einen kleinen Schritt in die Richtung von Rockstars gemacht.

Vier Tage lang war die Band in der Ukraine - auf Einladung der Robert-Bosch-Stiftung, die mit der Aktion den Kulturaustausch fördern wollte. Und am liebsten wären sie von dort gar nicht mehr weg, denn nach einem ausverkauften Konzert in der Schwarzmeer-Metropole fühlten sie sich ein bisschen wie Stars: »Wir wurden auf der Straße erkannt und mussten sogar Autogramme geben«, erinnert sich Schlagzeuger Cayhan Cankatli gerne zurück. Und auch Sänger Rafael Meller-Siwinski gefielen die Erfahrungen: »So könnte sich das anfühlen, wenn man berühmt ist. Vielleicht wäre in der Ukraine mehr möglich als hier.«
Doch was hatten die fünf Musiker gemacht, dass die Ukrainer so aus dem Häuschen waren? Es war Glück und ein bisschen Zufall gewesen, der »Jaroslaw«, die nach eigener Beschreibung britisch beeinflussten Gitarrenpop auf deutsch, englisch und polnisch machen, nach Odessa brachte. Nach einem Konzert bei der deutsch-polnischen Gesellschaft waren sie angesprochen worden, ob sie nicht bei »TransOST«, einem Kulturaustausch, mitmachen wollten. Die Bielefelder wollten und setzten sich gegen teilweise prominente Konkurrenz wie die Münchener HipHopper von »Blumentopf« durch. So reisten »Jaroslaw« gemeinsam mit der Stuttgarter Band »Salzfische« in die Ukraine - zweifellos der Höhepunkt der Bandgeschichte.
Die Reise ins mehrere tausend Kilometer entfernte Odessa hatte zwei Schwerpunkte: Zunächst arbeitete die Band in einem Workshop gemeinsam mit ukrainischen Studenten an der deutschen Fakultät der Polytechnischen Universität. Dort studieren die Ukrainer Maschinenbau oder Management und lernen Deutsch. Die Sprache zu fördern, war ein Teil des Workshops, in dem »Jaroslaw« gemeinsam mit den Ukrainern Songtexte schrieben und viel sprachen: über Musik, über Popstars und Emigration. Denn die Band ist wohl auch ein Spiegelbild der multikulturellen Gesellschaft, spielen bei »Jaroslaw« doch zwei Deutsche, zwei gebürtige Polen und ein in der Türkei geborener Musiker zusammen.
In den Kleingruppen des Workshops - ein Bandmitglied und zwei oder drei Studenten - kam es dann auch wirklich zum Kulturaustausch. »Für uns war es spannend zu hören, was sie über Deutschland denken«, erzählt Sänger Rafael Meller-Siwinski. Gleichzeitig konnten aber auch die Bielefelder ihre Meinungen und Eindrücke über die Ukraine loswerden.
Höhepunkt der Tour in die Ukraine war zweifellos der Konzert-Auftritt von »Jaroslaw«. 300 Menschen waren in den noblen Jazz-Club gekommen, in dem man eigens für das Konzert die Tische abgeschraubt hatte. Schon wenige Minuten nach Öffnung des Saales war es pickepacke voll - ausverkauft.
Das lag möglicherweise auch an der hervorragenden Werbung vor Ort. Die ganze Stadt war mit »Jaroslaw«-Plakaten voll, und auch das Fernsehen hatte im Vorfeld berichtet. »Wir hatten das Gefühl, dass die Leute dachten, wir sind eine große Nummer«, grinst Jaroslaw Siwinski.
Doch ob Stars oder nicht, das tat dem Konzertabend keinen Abbruch, denn die Stimmung sei bombastisch gewesen berichten die Musiker. »Wir waren extrem nervös, weil wir nicht wussten, wie wir ankommen«, sagt Schlagzeuger Cayhan Cankatli, doch das löste sich schnell: »Wir wurden von den Leuten mitgerissen«, erzählen die Musiker von einer tollen Party, an der auch die Zuhörer einen großen Anteil hatten. Gitarrist Thomas Plass: »Dort herrscht eine ganz andere Mentalität. Die Leute sind offen und wollen mitmachen, den Abend mitgestalten.« Das fing erneut ein ukrainischer Fernsehsender ein und berichtet seitdem über die Bielefelder Band. Damit nicht genug der Ehre: Die Bielefelder verkauften sämtliche CD, und zum ersten Mal in ihrer Karriere mussten sie Autogramme schreiben.
»Es ist toll, dass wir so was mitmachen durften. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, das wir erlebt haben«, erklärt Schlagzeuger Cankatli. Und damit meint er mehr als den Auftritt vor 300 begeisterten Ukrainern. »Es ist eine tolle Stadt mit aufgeschlossenen Leuten.« Der Kulturaustausch hat die Band sogar so sehr begeistert, dass sie nicht nur gerne wieder zurück nach Odessa reisen wollen, nein, zu gerne würden sie ein längerfristiges Projekt daraus machen. »Andere Bands sollen auch solche Erfahrungen machen«, sagen sie und überlegen gleichzeitig, wie sie eine ukrainische Band nach Bielefeld bekommen.
Informationen im Internet:
www.jaroslaw.co.uk

Artikel vom 16.06.2005