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SPD schießt sich auf Köhler ein

Bundeskanzler nennt die Kritik »unerträglich« - kein Gegenkandidat

Berlin (Reuters). Im Streit über die geplante Vertrauensfrage von Bundeskanzler Gerhard Schröder hält die massive Kritik an Bundespräsident Horst Köhler aus den Reihen der SPD an. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Ludwig Stiegler, warf dem Staatsoberhaupt gestern mangelnde parteipolitische Zurückhaltung vor.

»Herr Köhler ist leider parteipolitisch nicht so zurückhaltend wie alle seine Vorgänger«, kritisierte Stiegler. Zuvor hatte bereits Stieglers Kollege Michael Müller heftige Kritik an Köhler geübt und die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Staatsoberhaupt in Frage gestellt.
Als »völlig unerträglich« hat Bundeskanzler Gerhard Schröder gestern die Angriffe des SPD-Linken Müller auf Köhler zurückweisen lassen.
Stiegler warf dem Präsidialamt vor, aus parteipolitisch motivierten Gründen Unsicherheit zu schüren. Mit Blick auf das Bekanntwerden angeblicher Einzelheiten aus einem vertraulichen Gespräch zwischen Köhler und Schröder sagte der SPD-Politiker: »Nach der Frage 'Wem dient es' ist der Verdacht groß, dass diese stramme CDU/FDP-Truppe rund um den Bundespräsidenten hier versucht, Politik zu machen und deshalb Unsicherheit zu verbreiten versucht.«
Der »Spiegel« hatte unter Berufung auf einen Teilnehmer eines Gesprächs zwischen Kanzler und Präsident berichtet, Schröder habe mangelnden Rückhalt in den eigenen Reihen als Grund für sein Streben nach vorgezogenen Wahlen genannt. Nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hatte er seinen Entschluss zu Gunsten von Neuwahlen damit begründet, durch die Niederlage sei die politische Grundlage für die Fortsetzung seiner Arbeit in Frage gestellt.
Anda sagte, Schröder teile nicht den von SPD-Vizefraktionschef Müller geäußerten Verdacht, die Indiskretionen seien aus dem Präsidialamt gestreut worden. Die Zusammenarbeit zwischen Schröder und Köhler sei vertrauensvoll, betonte der Regierungssprecher abermals. Müller hatte dem »Handelsblatt« gesagt, Köhler »streut so gezielt Informationen, dass die vertrauensvolle Zusammenarbeit gefährdet ist«.
Schröder will am 1. Juli die Vertrauensfrage stellen und über eine verlorene Abstimmung die Wahl des Bundestags um ein Jahr auf diesen Herbst vorziehen.
Der SPD-Arbeitnehmerflügel erwägt nach Angaben seines Chefs Ottmar Schreiner keine Gegenkandidatur zu Schröder. Schreiner wies gestern einen Bericht zurück, wonach die SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) überlege, einen eigenen Kandidaten zur Wahl des SPD-Spitzenkandidaten aufzustellen.
Auch viele Landeschefs des SPD-Arbeitnehmerflügels unterstützten eine Spitzenkandidatur Schröders, zugleich verstärkten sie allerdings ihre Forderungen nach Nachbesserungen an der Arbeitsmarktreform.
Die Chemnitzer »Freie Presse« hatte berichtet, dass die AfA am 26. Juni in Berlin über die Konsequenzen aus der Wahlniederlage in NRW beraten und darüber entscheiden wolle, ob es einen Gegenkandidaten für Schröder geben solle. Heinz-Werner Schuster vom nordrhein-westfälischen AfA-Vorstand zitierte die Zeitung mit den Worten: »Schröder treibt die Partei in den Ruin.« Schreiner erklärte dazu: »Wir wissen nicht, für wen der zitierte Heinz-Werner Schuster spricht. Er spricht jedenfalls nicht für die AfA, weder im Bund noch in NRW.«

Artikel vom 09.06.2005