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Im neuen Landtag ist nichts
mehr wie es 39 Jahre lang war

Abschied von der Macht fällt schwer - noch nie so wenige Abgeordnete

Von Reinhard Brockmann
Düsseldorf (WB). »Kein Abschied auf der Welt fällt schwerer, als der Abschied von der Macht«. Im neuen nordrhein-westfälischen Landtag ist seit gestern fast nichts mehr so, wie es 39 Jahre lang in Düsseldorf war.
Die zweite Frau an der Spitze des NRW-Landtags: Regina van Dinther.
Mit einer Anleihe beim großen französischen Staatsdenker Charles Maurice de Talleyrand tröstet sich gestern der scheidende Landtagspräsident Ulrich Schmidt (SPD) über die bittere Niederlage seiner Partei und vieler nicht wieder gewählter Genossen hinweg. Schmidts letzter Blick in die Runde des sich gestern neu konstituierenden NRW-Landtags streifte viele iritierte Gesichter im alten rot-grünen Lager.
Innenminister Fritz Behrens hatte es bis in die letzte Bankreihe verschlagen, Michael Vesper und Bärbel Höhn (Grüne) irgendwo mitten ins letzte Dutzend der Öko-Partei. Auch die überpünktliche Noch-Schulministerin Ute Schäfer verpasste bei der vorläufigen Sitzordnung den Sprung in die erste Reihe.
Einzig eitel Sonenschein dagegen auf der anderen Seite, wo bei der CDU die stahlblauen Augen von Wahlsieger Jürgen Rüttgers nur noch vom farben- und federngeschmückten togaähnlichen Gewand der CDU-Abgeordneten Andrea Milz übertroffen wurden.
Nicht ganz so gelassen zeigte sich die FDP-Fraktion, die gestern Morgen noch einige harte Entscheidungen zu fällen hatte. Alle wichtigen Positionen sind vergeben, vom Fraktionsvorsitz (Gerhard Papke) bis zu der Überraschung, dass Angela Freimuth statt Jan Söffing Landtagsvize wird. Mindens Abgeordnete Marianne Thomann-Stahl gab ihr Amt als Parlamentarische Geschäftsführerin an Ralf Witzel weiter und hat damit alles und nichts. Die Ämter in der Fraktion sind vergeben. Wenn sie jetzt nicht Ministerin wird, steht sie am Ende mit leeren Händen da. Seit Wochen war sie für Wirtschaft »fest gebucht«, seit gestern ist wieder alles offen.
Wie am Schnürchen lief die Wahl des Landtagspräsidiums, das künftig Regina van Dinther aus Hattingen führt. Mit 149 Ja-Stimmen konnte sie auch Zustimmung bei der neuen Opposition gewinnen, kein schlechtes Zeichen für die Zukunft. Und auch den Grünen machte Schwarz-Gelb gestern ein Friedensangebot. Michael Vesper tritt das Vize-Präsidentenamt mit 116 Ja-Stimmen an, das sind immerhin mindestens 30 Stimmen aus dem anderen Lager.
So wenig Abgeordnete wie noch nie in der Parlamentsgeschichte bilden den 14. Landtag von NRW. Durch die Verkleinerung des Parlaments ist die Zahl der Abgeordneten auf 187 gesunken. Von den 231 Abgeordneten der vorangegangenen Wahlperiode sind nur 109 zurückgekehrt. 73 Abgeordnete waren erst gar nicht mehr angetreten, 49 Abgeordnete wurden am 22. Mai abgewählt. Neu im Landtag sind 78 Abgeordnete.
Zurückgangen ist der Anteil der Frauen unter den Abgeordneten - und zwar auf 27,3 Prozent. Vor fünf Jahren betrug der Frauenanteil im Parlament noch 31,2 Prozent. Beim Wahlsieger CDU sitzen nur noch elf Frauen unter den 89 Fraktionsmitgliedern. Bisher waren es acht mehr. Mit 12,4 Prozent sank hier der Frauenanteil auf den niedrigsten Wert seit 1985. Dagegen stieg in der SPD-Fraktion der Anteil weiblicher Abgeordneter von 37,3 Prozent auf 41,9 Prozent. Bei den Grünen ist die Hälfte der Abgeordneten weiblich, bei der FDP, wie bisher, ein Viertel.

Artikel vom 09.06.2005