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Gottfried Ohly (re.) und Hans Colcuc produzieren nie gehörte Klänge. Foto: Meyer zur Heyde

Farbige Landschaften voller Musik

Meditatives Konzert für Gongs und Klarinette in der Nicolaikirche

Bielefeld (WB/mzh). Zuhörer, die während des Konzerts einnicken, stellen den Musikern damit nicht das beste Zeugnis aus. Anders beim »Blick nach innen«: Dass Sie mal wegdämmern, während Gottfried Ohly und Hans Colcuc ihr »meditatives Konzert« für 25 Gongs und Klarinette geben, »ist gut für Sie und von uns erwünscht.«

Also auf in die Altstädter Nicolaikirche, in der Ihnen die beiden Musiker an diesem Samstag um 20 Uhr ein Klangerlebnis bescheren wollen, wie Sie es noch nie gehört haben! Schlafen können Sie auch nachher noch.
Die besten Gongs kommen nicht etwa aus Fernost, sondern aus einem Ort bei Rendsburg in Schleswig-Holstein - in allen Größen, mit Durchmessern von 50 Zentimetern bis zwei Metern. So ein Stück, das erst mühsam gehämmert und dann in einem geheimen Vorgang gestimmt wird, kann durchaus 20 000 Euro kosten.
Der Könner versetzt die Metallscheibe durch Reibung in Schwingungen, und zwar meist auf der Rückseite. »Eine Musiklehrerin, die ihre Schüler auf ihrem teuren Gong herumdengeln ließ, konnte das Instrument hinterher wegwerfen«, erzählt Gottfried Ohly. Ein Gong vergesse nichts, auch miese Behandlung nicht. Im Idealfall soll er »singen«.
»Es existieren keine theoretischen Schriften, Notenliteratur schon gar nicht - alles ist Erfahrung.« Bauingenieur Ohly aus Nordhorn, der sich jetzt im Ruhestand ganz um die von ihm entwickelte Musik kümmert, hängt seine Gongs am Tag vor dem Konzert auf: »Zur Entspannung, denn sonst bringen sie höchstens 80 Prozent.«
Nur wenn er mag, »schenkt« der Gong dem Musiker die gewünschten Akkorde. Ohly streichelt die Scheibe mit dem Schlegel, baut den Grundton auf, »und jetzt wollen wir mal sehen, ob der Gong mir die Quint gibt.« Vorsichtiges Streicheln - dann baut sich tatsächlich der erhoffte Ton auf.
Diese Töne, passagenweise gar die herausgefilterten Obertöne, umspielt Hans Colcuc mit seiner Klarinette. Seit drei Jahren gibt Colcuc, der an der Bielefelder Musik- und Kunstschule lehrt, gemeinsame Konzerte mit Ohly, denn er versteht es wie kein zweiter, über stehenden Gong-Klängen zu improvisieren. »Verwechseln Sie aber Improvisation nicht mit Beliebigkeit«, bittet Colcuc. »Für die Stücke unseres Bielefelder Konzerts haben wir drei Monate üben müssen.«
Ohlys Gongs schaffen die Atmosphäre, die Klarinette führt die Melodie. »Erwarten Sie aber keine virtuose Unterhaltungsmusik, sondern freuen Sie sich auf introvertierte Klangwelten.« Die Seele wird angerührt, der Zuhörer entspannt sich im Meer individueller Emotionen, eine Nonne habe mal erzählt, sie sei zu ihrer Mutter in den Himmel gestiegen. »Sie sehen farbige Landschaften«, verspricht Ohly.
Den musikalischen »Blick nach innen« gibt es auch auf CD, aber nur am Samstag vor Ort. Weitere Infos unter hacolcuc@freenet.de und agohly@web.de per Mail.

Artikel vom 11.06.2005