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Leitartikel
Frankreich-Woche der IHK

Dranzösisch
klänge das
viel schöner


Von Bernhard Hertlein
Parlons de la France. Reden wir über Frankreich. Über die Nachbarn. Über die andere Seite der europäischen Achse. Über unseren größten Handelspartner.
Die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld hat mit ihrer Entscheidung, die vierte »internationale Begegnungswoche« dem Nachbarn im Westen zu widmen, bei manchen Achselzucken ausgelöst. Von den attraktiven jungen Märkten - China, Russland, Indien - weiß man, dass sie ziehen. Eine alte Liebe wie Frankreich erscheint dagegen unspektakulär. Sie läuft, zieht aber kein großes Publikum. Vertraut, erfolgreich - langweilig. Alles ist so wie immer. Comme toujours.
Eine Beziehung, die so gesehen wird, läuft unter ihren Möglichkeiten. Gerade Frankreich zeigt, dass es zu Überraschungen fähig ist. Beispiel: das »Non«Êzur europäischen Verfassung am vergangenen Sonntag. Das Votum mag zum Teil als Protest gegen die Pariser Regierung gerichtet gewesen sein. Doch plötzlich stellen Menschen auch außerhalb Frankreichs wichtige Fragen an eine Verfassung, für die sie sich vorher überhaupt nicht interessierten.
Unsicherheit oder Angst vor den Folgen der Globalisierung grassiert auch in Frankreich. Aber offenbar lähmt sie die Wirtschaft weniger als in Deutschland. Paris steigerte das Inlandsprodukt 2004 um 2,3 Prozent, erwartet für 2005 ein Plus von 1,9 und 2006 von 2,1 Prozent -ÊZahlen, von denen Berlin nur träumen kann.
Oh l'amour! Wer von Frankreich spricht, sollte auch von Liebe reden. Im Vergleich mit anderen westlichen Staaten erlebt das Nachbarland derzeit eine Bevölkerungsexplosion. Die Einwohnerzahl, im Augenblick 62,5 Millionen, wird bis zur Mitte des Jahrhunderts auf 75 Millionen steigen. Der Tag ist absehbar, da Frankreich und nicht mehr Deutschland das bevölkerungsreichste Land Europas sein wird.
1400 französische Firmen sind in Deutschland, 2700 deutsche Unternehmen in Frankreich aktiv. Geschäftsbeziehungen, die teilweise in Jahrzehnten gewachsen sind. Und dennoch sind die Beteiligten oft überrascht - über die enge Verbindung von Staat und Wirtschaft in Frankreich, über unterschiedliche Arten, zu arbeiten und zu feiern, Verhandlungen zu führen und Abmachungen umzusetzen.
Parlons de la France -Êaber in welcher Sprache?
Immer weniger Schüler in Deutschland lernen Französisch, immer weniger Kinder in Frankreich Deutsch. An den NRW-Gymnasien boomt der Latein-Unterricht. Wer es sich einfach machen will oder auf seine Noten schaut, lernt lieber Spanisch. Selbst bei der IHK-Begegnungswoche parlieren Deutsche und Franzosen vorzugsweise in Englisch. Da passt der Titel der Veranstaltung genau ins Bild. »Ostwestfalen meets France« heißt es in Denglisch. Dranzösisch klänge das viel schöner: »Ostwestfalen rencontre la France«.
Reden wir über Frankreich. Über den Nachbarn - und zugleich über uns. Es lohnt sich.

Artikel vom 08.06.2005