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Ein Kofferfisch
auf vier Rädern

Mercedes-Benz zeigt »Bionic Car«

Von Wolfgang Schäffer
Stuttgart/Washington (WB). Fische und Autos haben vom Prinzip her nicht viel gemein. Anders beim neuen Konzeptfahrzeug von Mercedes-Benz. Das »Bionic Car« wurde gezielt nach dem Vorbild eines Flossenträgers konzipiert.

Bionik, die Kombination von Biologie und Technik, ist ein noch junges Forschungsgebiet. Doch Wissenschaftler entdeckten bereits eine ganze Reihe von Vorbildern in der Natur, aus denen extrem stabile Werkstoffe, reibungsarme Oberflächen oder auch die bekannten Klettverschlüsse entwickelt wurden.
Beim Gedanken des »Bionic Cars« suchten Mercedes-Ingenieure ganz gezielt in der Natur nach einem Vorbild für ein Auto, das möglichst aerodynamisch, sicher, komfortabel und zudem umweltverträglich ist. Und - die Suche war erfolgreich. Bei den Meeresbewohnern. Zur großen Überraschung waren es jedoch nicht die schnellen Haie oder Delphine, die den Vorstellungen entsprechen. Der Kofferfisch kommt der Ideallösung am nächsten.
Trotz seines eher kantig, ja, fast würfelförmig wirkenden Rumpfes hat dieser Bewohner tropischer Gewässer ausgezeichnete Strömungseigenschaften. Einer der Experten fasst das so zusammen: »Der Kofferfisch ist in Korallenriffen, Lagunen und Seegrasgebieten zu Hause. Dort hat er in vielerlei Hinsicht die gleichen Bedingungen wie Autos. Er muss mit seinen Kräften Haus halten und sich mit der geringstmöglichen Energie fortbewegen. Das erfordert starke Muskeln und eine strömungsgünstige Form.«
Diese Form bauten die Ingenieure nach. Das originalgetreue Modell des Tieres erzielte im Windkanal den sensationellen Luftwiderstandsbeiwert von 0,06 CW.
Das daraus entwickelte erste kleine Automodell (Maßstab 1:4) lag mit einem CW-Wert von 0,095 immer noch in unvorstellbaren guten Bereichen. Das nun entstandene voll funktionstüchtige und fahrbereite »Bionic Car« liegt mit einem Wert von 0,19 in der absoluten Spitzenklasse dieser automobilen Größenklasse. Auf einer Länge von 4,24 Metern bietet das Auto Platz für vier Personen plus Gepäck.
Ein ebenfalls von der Natur abgeleitetes Leichtbaukonzept sowie ein besonders umweltverträglicher Antrieb sorgen dafür, dass die Abgas-Emissionen dramatisch verringert werden. Ein 140-PS-Dieselmotor wurde dazu mit der neuartigen SCR-Technologie (Selective Catalytic Reduction) ausgestattet. Kernstück der Technik ist ein Katalysator, der einen zusätzlichen Betriebsstoff zur Umwandlung der Stickoxide nutzt. Mercedes-Sprecher Norbert Giesen: »je nach Motorbetrieb wird eine genau dosierte Menge einer wässrigen Harnlösung (»AdBlue«) in die Abgasanlage eingespritzt. Sie wandelt die Stickoxide in unschädlichen Stickstoff und Wasser um. Das Ergebnis ist eine um bis zu 80-prozentige Verringerung der Stickoxid-Emissionen.

Artikel vom 09.06.2005