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Clements Brief

Ablenken vom Versagen


Wenn man den Brief von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement liest, muss man zwangsläufig den Eindruck gewinnen, hier in Deutschland herrsche ein massenhafter Leistungsmissbrauch beim Arbeitslosengeld II. Das ist selbstverständlich nicht der Fall. Missbrauch von Leistungen hat es schon immer gegeben und wird es auch künftig geben. Und natürlich muss dem ein Riegel vorgeschoben werden. Dies ist ja auch in der Vergangenheit schon bei der Sozialhilfe geschehen und wird ebenso selbstverständlich auch beim ALG II passieren, wenn ein entsprechender Verdacht besteht.
Warum also dieser Brief? Das Schreiben ist vor allem ein Ausdruck der Hilfslosigkeit im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Statt alle Kraft in das Bemühen zu stecken, den Langzeitarbeitslosen endlich einen Job zu verschaffen, stellt er sie noch an den Pranger, erweckt den Eindruck, als sei der Missbrauch das große Problem.
Die Empfänger des Arbeitslosengeldes II, das mit Ach und Krach gerade zum Überleben reicht, gehören ja schon zu den Verlierern in dieser Gesellschaft. Da ist es schäbig, dass Clement sie nun auch noch dazu benutzt, um vom eigenen Versagen abzulenken. Wegen Mehrausgaben für Hartz IV droht ein Haushaltsloch von zehn Milliarden Euro. Also los, Herr Clement, kontrollieren sie. Vielleicht sind es dann am Jahresende ja »nur« 9,99 Milliarden Euro.Dirk Schröder

Artikel vom 08.06.2005