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Zeiten der Verfolgung
sind längst vorbei

Autor Henry Miller starb vor 25 Jahren

New York (dpa). Henry Miller würde sich vermutlich im Grabe umdrehen. Seit dem Tod des freizügigsten und zugleich am meisten angefeindeten Schriftstellers der USA sind heute 25 Jahre vergangen.
Henry Miller 1971 bei Dreharbeiten in Paris.
Doch der Autor umstrittener Werke wie »Sexus« und »Wendekreis des Krebses« könnte nicht so leicht feststellen, dass sich die Welt weitergedreht hat, würde er heute einer Beratung der US-Zensurbehörde FCC lauschen. So prüfte die FCC, die im Staatsauftrag auf Anstand in Radio und Fernsehen achtet, kürzlich allen Ernstes, ob die Eröffnungsshow der Olympischen Spiele in Athen jugendgefährdend war. Schließlich seien Statuen nackter Männer gezeigt worden.
So klingt heute noch die moralinsaure Vehemenz nach, mit der Millers Schriften in dessen Heimat einst verfolgt wurden. Wenngleich die Zeiten längst vorbei sind, in denen Zollbeamte jedes Miller-Buch beschlagnahmten, das sie bei Reisenden aus Frankreich, Skandinavien oder Deutschland fanden.
Für den 1891 in New York als Sohn eines Schneiders aus Darmstadt und einer Mutter aus Bremen geborenen Henry Valentine Miller war Schreiben gleichbedeutend mit Leben. Auf den Vorwurf, seine Schriften gefährdeten Jugendliche, erwiderte er: »Selbstverständlich würde ich sie Unmündigen nicht empfehlen, aber ich würde ja auch einem Kind keine Schnapsflasche geben.« Er beschäftigte sich nicht nur mit »Leibesübungen«. Er war auch ein begabter Maler, schrieb über Kunst und war gegen Krieg.

Artikel vom 07.06.2005