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Geiz-Welle beginnt zu nerven

AVA-Chef Metje: Wachstumskurve der Discounter flacht bereits ab

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Immer mehr Verbraucher sagen von sich, dass sie sich von der »Billig, billig«-Werbung genervt fühlen. Zwar folgen sie weiter dem Ruf der großen Zahl. »Das wird sich aber ändern, sobald die Konjunktur endlich anspringt«, glaubt Helmut Metje.

Der Vorstandsvorsitzende der Bielefelder AVA Allgmeine Handelsgesellschaft der Verbraucher AG (Marktkauf, Dixi) glaubt, dass der Marktanteil der Discounter 45 Prozent nicht übersteigen wird. Andere Beobachter gingen noch vor kurzem von einem Potenzial von mindestens 50 Prozent aus. Doch das Wachstum hat sich trotz Flächenexpansion durch die Eröffnung immer weiterer Märkte verlangsamt. Ende 2004 lag der Anteil der Aldis, Lidls, Plus und Nettos am deutschen Lebensmittelmarkt bei 39 Prozent.
»Marktkauf« hat sich insofern auf den Zeitgeist eingestellt, als es mit »Gut und günstig« eine eigene Handelsmarke für Angebote auf dem Preisniveau von Aldi bereithält. Diese erreiche einen Anteil von acht Prozent am Gesamtumsatz. Trotzdem bewertet Metje die Geizwelle vor allem im Hinblick auf Lebensmittel-Sicherheit kritisch. Während Franzosen 31 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben, liegt dieser Anteil in Deutschland nur bei 12,1 Prozent. Die Preise für Lebensmittel seien infolgedessen hierzulande zehn Prozent niedriger als in Frankreich, 24 Prozent niedriger als in England und 32 Prozent niedriger als in der Schweiz.
Metje zufolge geht die Geizwelle mittel- bis langfristig nicht nur auf Kosten der Qualität, sondern vor allem auch der Vielfalt: »Für Artikel wie Kartoffeln, Spargel oder Erdbeeren haben wir fast in jedem SB-Markt einen anderen regionalen Lieferanten.«
Ein Discounter könne sich mit seinem strengen Zentraleinkauf einen solchen Aufwand gar nicht leisten. »Zum Glück«, so Metje, »stoßen solche Argumente bei den Kunden wieder zunehmend auf Interesse.« Ein Pilotversuch mit einer »Regionaltheke« im Raum Nürnberg komme bestens an. Das Gleiche gelte für regionale Produkte in Ostdeutschland. Metje will das Projekt auf andere Teile Deutschlands ausweiten.
Mitverantwortlich für die Geizwelle ist nach Ansicht des AVA-Chefs das Internet. Gespickt mit Informationen über Niedrigpreise beispielsweise über Artikel der Unterhaltungsbranche gingen die Verbraucher zum Fachhandel. Dieser aber könne, da er die gesamte Produktbreite bereit halten sowie seine Beratungsleistung finanzieren müsse, mit dem Internet-Preis nicht mithalten.
»Die Fachgeschäfte und kleinen Supermärkte sind die Verlierer der Geizwelle«, stellt Metje fest. Kauf- und SB-Warenhäuser stünden vor einer Renaissance. Die Kunden wollten beim Einkauf nicht nur Bedürfnisse befriedigen, sondern etwas erleben. Zudem wachse die Gruppe der »Premiumkäufer«, die auf Qualität achten und gerne etwas Neues ausprobieren.

Folge 7 am Mittwoch: Carolinenbrunnen schickt die Kunden ins Kino

Artikel vom 07.06.2005